Wo steckt eigentlich… Sabine Leutheusser-Schnarrenberger?

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, an welcher Politik der Großen Koalition leiden Sie am meisten?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Das ist ganz sicher der Abhör­skandal und dass die Bundesregierung nicht einsieht, dass nur größtmögliche Transparenz und eine deutlich verbesserte Kontrolle der Geheimdienste weiterhelfen. Die Kehrtwende bei der Vorratsdatenspeicherung gehört auch dazu.

Wie geht es denn weiter mit der Freiheit im Netz?

Die Erkenntnis nimmt zu, dass auch die Privatsphäre ihren Raum in der Digitalisierung hat. Algorithmen, Clouds und Big Data allein sind keine Antwort, wir brauchen einen digitalen Ordnungsrahmen.

Wie sehen Sie sich aktuell: ­liberales Gewissen oder gar Verfassungskassandra?

Mahnendes Gewissen für Bürgerrechte trifft es ganz gut – und Pfahl im Fleische der Vorratsdatenspeicherung!

Gab es nach der Wahl 2013 den Impuls, ganz aus der Politik auszusteigen?

Mir war von vorherein klar, dass ich mich weiterhin engagiere – nur nicht, in welcher Intensität und in welchem Rahmen – man bleibt ja ein politischer Mensch und nimmt an Debatten teil. Das gibt man nicht einfach ab.

Hat die APO auch Vorteile?

Opposition allgemein ist Kärrnerarbeit, auch wenn sie demokratietheo­retisch viel Substanz bietet. Man ist grundsätzlich freier und muss nicht in Kompromissen denken, kann Ideen über einen kurzen Zeithorizont hinaus entwickeln – als Mahner und Perspektiveröffner. Aber es mangelt eben auch an Plattformen, um Diskurse öffentlichkeitswirksam zu ini­tiieren.

Wie sehen Sie die Chance auf Wiedereinzug der FDP in den Bundestag?

Die Chance ist groß, aber ich rate sehr davon ab, sich in Koalitionsspekulationen zu ergehen.

Und wenn doch, Lust auf eine dritte Amtszeit?

Nein, zwei bewegte Amtszeiten mit vielen Höhen und Tiefen waren sehr erfüllend, nun müssten jüngere Leute die liberalen Ideen vertreten.

Besitzen Politiker noch ­genügend Souveränität?

Gerade die sozialen Medien haben heute enormen Einfluss auf die Reaktion von Politikern und deren Geschwindigkeit. Ein halber Tag Abwarten kann schon zu lang sein. Die Dynamik von Online, auch Print und TV entwickelt einen ganz anderen Druck. Mit Seriosität, Besonnenheit und Souveränität kann man aber durchaus zwei Tage überstehen, um dann auf der richtigen Ebene zu sein. Oft legt sich der Sturm wieder. Das hängt aber auch vom Typus ab, der Selbsteinschätzung und Überzeugungskraft. Doch sollten sich Politiker nicht nur als Opfer sehen

Unter uns: Wer hat nun ­mitgehört?

Das ist ja Festnetz, da muss man schon professionell sein, aber die NSA kann alles – nur am frühen Morgen haben sie die Geräte vielleicht noch abgeschaltet.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe politik&kommunikation III/2015 Geld. Das Heft können Sie hier bestellen.