Wer sind die Rising Stars im Bundestag?

p&k-Umfrage

Nach den Umfragen zu Hauptstadt­repräsentanten von Unternehmen, den Staats­sekretären der ­Bundesregierung sowie den Bevollmächtigten der Bundesländer beim Bund hat politik&kommunikation in der letzten Ausgabe dieses Jahres den Blick auf die Rising Stars im Bundestag gerichtet.

Im Oktober haben wir Entscheider ­gefragt, welche Bundestags­abgeordneten unter 35 Jahren ihrer Ansicht nach das größte Entwicklungspotenzial haben. 250 Kenner des politischen Betriebs nahmen an der Umfrage teil. Aus der Liste der 33 Abgeordneten dieser Altersgruppe wählten die Teilnehmer jeweils fünf Personen aus.

Das Ergebnis: Es gibt eine klare Gewinnerin. ­57,6 Prozent ­aller ­Befragten kreuzten Nadine Schön (CDU) an, 38 Prozent votierten für Katrin Albsteiger (CSU) und für Sven-Christian Kindler (Grüne) stimmten 19,6 Prozent der Teilnehmer.

3. Platz: Sven-Chris­tian Kindler

Foto: Wikimedia Commons/Daniel George CC-BY 3.0

Seit 2009 ist Sven-Chris­tian Kindler (30, Bündnis 90/Die Grünen) Mitglied des Deutschen Bundestags. Seit seiner Wiederwahl 2013 ist er haushaltspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Im Alter von 18 Jahren trat er der Grünen Jugend und den Grünen bei. Von 2006 bis 2009 war der studierte Betriebswirt Mitglied des Parteirats der Grünen Jugend Niedersachsen, ab 2007 übernahm er zusätzlich das Amt des Sprechers der Grünen Jugend Niedersachsen. Seit 2012 ist Kindler außerdem im Ehrenamt Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.   

 

2. Platz: Katrin Albsteiger

Foto (c) AG Gymnasium Melle CC-BY 4.0

Katrin Albsteiger (32, CSU) wurde 2013 in den Deutschen Bundestag gewählt. Dort ist sie Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Seit 2014 ist sie stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Union Deutschland, der sie seit 2003 angehört. Zwei Jahre später trat sie der CSU bei. Nach ihrem Studium der Politik­wissenschaft wurde sie 2009 zur stellvertretenden Landes­vorsitzenden der JU Bayern gewählt. Von 2011 bis 2013 war sie deren Landesvorsitzende. Mit Albsteiger stand zum ersten Mal eine Frau an der Spitze der bayerischen Jugendorganisation. Seit 2011 ist sie Mitglied des CSU-Parteivorstands.

 

1. Platz: Nadine Schön

Foto (c) Laurin Schmid

Mit Konsens an die Spitze

Offen für Kompromisse, unterwegs in Schützenvereinen und auf Twitter: Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Nadine Schön, pflegt einen modernen Politikstil.

Porträt von Merle Schmalenbach

Als Nadine Schön stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende werden soll, sträubt sie sich zunächst. Volker Kauder, der ihr 2013 diese Position anbietet, antwortet sie: „Ich kann das nicht, da es erst meine zweite Legislaturperiode ist.“ Doch der Fraktionschef bleibt hartnäckig. Er habe schon viele Personalentscheidungen getroffen, sie solle ihm vertrauen.

„Typisch weiblich“, nennt die 32-Jährige heute ihre Reaktion. An einem Freitagmorgen um acht Uhr sitzt sie in ihrem Büro im Jakob-Kaiser-Haus. Die meisten Berliner sind um diese Uhrzeit noch schlaftrunken, doch Schön ist hellwach. Ihre Augen leuchten hinter der Hornbrille, als sie von ihrer Arbeit erzählt. Schön gilt als eines der größten Talente der CDU. Sie führt mit Abstand das Ranking von politik&kommunikation an, das die vielversprechendsten Bundestagsabgeordneten unter 35 Jahren auflistet.

„Als erstes sind mir ihre Lebensfreude und Fröhlichkeit aufgefallen“, sagt ihr Parteikollege Jens Spahn. „Es gibt Menschen, die sofort eine positive Grundstimmung schaffen – zu denen gehört sie.“ Den Grund dafür verortet er im Saarland, mit dem sie sich stark identifiziert. Dort wird sie 1983 geboren und wächst in einem 2.500-Seelen-Dorf auf. Ihr Vater ist Polizist, ihre Mutter Krankenschwester; es ist kein besonders politischer Haushalt. Doch weil sie sich mit 15 Jahren auf dem Land langweilt, tritt sie in die Junge Union ein. Später studiert sie Jura. Sie träumt davon, eines Tages in einer internationalen Organisation zu arbeiten oder Journalistin zu werden.
Doch es kommt anders. Der Kreisvorsitzende Hans Ley will, dass sie für den Landtag kandidiert. Und tatsächlich schafft sie mit 21 Jahren den Einzug. Dort hält sie sich an den CDU-Abgeordneten Hermann Scharf. Und auch von Ley schaut sie sich etwas ab. Ein Stratege und Machtpolitiker sei er gewesen, sagt sie. „Er war ganz anders als ich, ich bin ja eher ein Konsenstyp. Aber von ihm habe ich gelernt, mir Verbündete zu suchen und die Dinge im Blick zu behalten.“ 

Foto (c) Laurin Schmid

Doch die Doppelbelastung – Studium und Mandat – hat auch ihren Preis: Während des Jura-Examens wiegt sie nur noch 48 Kilogramm. Als mal wieder eine Landtagsdebatte läuft, erleidet sie einen Nervenzusammenbruch, sitzt drei Stunden lang in der Damentoilette und heult. Sie zieht die Reißleine, delegiert Termine. Am Ende besteht sie das Examen.

2009 zieht sie in den Bundestag ein. Ungefähr zur gleichen Zeit starten ihre Freundinnen, die auch Jura studiert haben, die Jobsuche. Doch anders als die männlichen Kollegen erhalten sie befristete Verträge und werden trotz gleicher Noten schlechter bezahlt. Schön ärgert das so sehr, dass sie zur Quotenbefürworterin wird. Auch den moralischen Druck, der auf Müttern im Berufsleben lastet, kennt sie aus eigener Erfahrung – sie hat einen einjährigen Sohn. „Ich bin in diesem Jahr mehrmals gefragt worden, ob mein Kind mich überhaupt kennt.“

Politisch sieht sie sich in der Mitte. Sie ist auf Twitter, aber auch in Schützenvereinen unterwegs. In ihrem Wahlkreis St. Wendel muss sie hin und wieder auch praktische Lebenshilfe leisten. Überregional hat sie sich auf die Schwerpunkte Digitales und Familie spezia­lisiert, außerdem wirbt sie für die Homo-Ehe. „Sie setzt Themen – auch mal gegen die Mehrheitsmeinung in der Union“, sagt Schöns Mentorin, die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Aktuell besteht Schöns Rolle darin, den Gegenpart zur SPD-Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig zu spielen. Auch hier agiert sie konsensgeprägt, was auch mal schwierig sein kann. „Sie ist selten bis nie konfrontativ“, sagt Jens Spahn.

Elf Jahre – solange ist Schön bereits in der Politik aktiv. Was die Zukunft bringt? Die Entscheidung soll  spätestens in der nächsten Legislaturperiode fallen. „Ich habe immer gesagt, dass ich das nicht bis zur Rente machen will“, sagt sie. Eine Selbstständigkeit reizt sie, vielleicht im digitalen Bereich. Doch bis jetzt hat die Politik sie immer noch rumgekriegt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe politik&kommunikation IV/2015 Zukunft. Das Heft können Sie hier bestellen.