Künstliche Intelligenz verändert schon heute unser tägliches Leben in erheblichem Ausmaß – sei es in Form von Chatbots, die beispielsweise bei der Kommunikation mit Unternehmen und Verwaltung eingesetzt werden, via Sprachassistenten und Saugrobotern in den heimischen vier Wänden, dem Einsatz von algorithmischen Entscheidungssystemen bei dem Einstellungsverfahren von Mitarbeitern oder dem autonom agierenden Fertigungsroboter als Kollege am Arbeitsplatz. Laut Abschlussbericht der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des Deutschen Bundestags muss es Anspruch der Politik sein, diesen „Wandel zu gestalten und darauf hinzuwirken, dass er wertegeleitet und zum Wohl von Mensch und Umwelt erfolgt.“ Deutschland und Europa, so heißt es weiter, müssen hierbei „eine führende Rolle in der Entwicklung und Anwendung dieser Schlüsseltechnologie übernehmen. Es sollen die Vorteile und Chancen, die sich mit den neuen technologischen Möglichkeiten ergeben, befördert und genutzt werden, wobei gleichzeitig die Risiken abgewogen und wenn nötig eingegrenzt werden.“
Angesichts der zu erwartenden disruptiven Veränderungen durch KI-basierte Technologien für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft ist der Handlungsdruck für politische Entscheidungsträger enorm. So wird sich in der nächsten Legislaturperiode zeigen, ob die Politik dem Anspruch der Enquete-Kommission gerecht werden wird und den durch neue Technologien induzierten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel inklusiv und nachhaltig gestalten kann. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Künstliche Intelligenz ist auf politischer Ebene jetzt wichtig, da heute die zentralen Weichenstellungen für zukünftige Entwicklung in zahlreichen Lebensbereichen gestellt werden. Um herauszuarbeiten, welche Richtung Deutschland beim Thema Künstliche Intelligenz in den nächsten Jahren einschlagen könnte, haben wir alle Aussagen mit KI-Bezug in den Wahlprogrammen der derzeit im Bundestag vertretenen Parteien zur Bundestagswahl 2021 systematisch ausgewertet.
KI-Profile der Parteien
Alle aktuell im Bundestag vertretenen Parteien äußern sich in ihren Wahlprogrammen zur Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung und Schwerpunktsetzung. Trotz der vielfältigen Auseinandersetzung zeigt sich recht deutlich, dass das Politikangebot sowie die entsprechenden Maßnahmen recht unkonkret und oberflächlich sind. Es kristallisiert sich zwar eine generelle Richtung des Parteienwettbewerbs über Künstliche Intelligenz heraus, die angestrebten politischen Handlungsoptionen und -strategien bleiben aber noch weitestgehend unklar. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Themenfelder, die von den Parteien thematisiert werden, sowie über die Bedeutung und inhaltliche Konkretheit der Aussagen in Bezug auf politische Maßnahmen, Forderungen und Zielsetzungen.
Insgesamt konnten 78 Textpassagen zum Thema Künstliche Intelligenz in den Programmen der Parteien identifiziert werden, allerdings variiert die Aufmerksamkeit stark zwischen den Parteien: Schlusslicht ist die AfD mit lediglich zwei Erwähnungen, gefolgt von der SPD mit acht Aussagen. FDP (15), Grüne (14) und Linkspartei (13) sind ungefähr gleichauf, während die CDU/CSU (26) Spitzenreiter ist. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 hat sich die Anzahl der Aussagen mit KI-Bezug insgesamt nahezu verdoppelt, woraus sich ein deutlicher Bedeutungszuwachs ableiten lässt. Dabei ist interessant, dass die Grünen bereits 2017 das Thema Künstliche Intelligenz besetzt hatte, nunmehr aber von der FDP und Linken eingeholt bzw. von den Unionsparteien sogar deutlich überholt wurden.
CDU/CSU
Die CDU/CSU behandelt das Thema Künstliche Intelligenz in zahlreichen Themenfeldern, wobei der Fokus auf Wirtschaft und Forschung, insbesondere im europäischen Kontext, sowie auf der militärischen Nutzung von autonomen Waffensystemen liegt. Dabei sieht die Union Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie, welche bedeutende Potenziale für den „Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutschland“ mit sich bringt. Durch finanzielle Anreize für Unternehmen und sogenannte „KI-Lotsen“, welche kleinere und mittlere Unternehmen dabei unterstützen, die Ergebnisse aus der Forschung im Bereich Künstliche Intelligenz zu nutzen, soll die deutsche und europäische Industrie gestärkt werden. Dadurch sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, gleichzeitig wird dabei auch die Notwendigkeit betont, international wettbewerbsfähig zu bleiben. Nicht nur mit Blick auf die ökonomischen Potenziale Künstlicher Intelligenz soll die europäische Zusammenarbeit gestärkt werden, sondern auch im Bereich Forschung und Entwicklung. Die Union skizziert hier eine Vision von Deutschland und Europa an der „Weltspitze der Forschung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz“ und plant dafür breite öffentliche Investitionen in die Forschung und Bildung zu Künstlicher Intelligenz.
Ein weiterer Schwerpunkt der Union ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Stärkung der inneren Sicherheit in Form von intelligenter Videosicherheitstechnik. Als einzige Partei befürwortet die CDU/CSU ausdrücklich den Einsatz von „automatisierter Gesichtserkennung an Gefahrenorten“ und betont das Potenzial, durch Künstliche Intelligenz frühzeitig kriminelle Strukturen zu erkennen und diesen entgegenzuwirken.
Während der Fokus auf den Chancen und Potenzialen von Künstlicher Intelligenz im Bereich Wirtschaft und Sicherheit liegt, positioniert sich die Union mit Blick auf andere mögliche Anwendungsbereiche eher neutral. Obwohl das Thema Künstliche Intelligenz breit angesprochen wird, bleibt die Union sehr zurückhaltend, wenn es um die Formulierung von konkreten politischen Maßnahmen bezüglich des Umgangs mit Künstlicher Intelligenz geht. Wenn überhaupt, wird hier vor allem der Ausbau staatlicher Förderinstrumente erwähnt.
FDP
Für die Freien Demokraten stehen die Chancen und Potenziale von Künstlicher Intelligenz im Vordergrund, insbesondere im Bereich Wirtschaft sowie Mobilität und Verkehr. Als einzige Partei fordert die FDP auch ausdrücklich den verstärkten Einsatz Künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung.
Mithilfe einer sogenannten „KI-Roadmap“ soll Künstliche Intelligenz in alle Ministerien integriert werden. Ziel dabei ist es, „Vorreiter beim ‚Virtual Government'“ zu werden. Bis 2025 soll jedes Ministerium zehn konkrete Anwendungen Künstlicher Intelligenz identifizieren und umsetzen. Um das Innovationspotenzial Künstlicher Intelligenz zu fördern, sollen „digitale Freiheitszonen“ aufgebaut werden, welche die Entwicklung Künstlicher Intelligenz für Start-ups und Gründer durch steuerliche Anreize, finanzielle Förderungen und Deregulierung begünstigen. Durch den Abbau von regulatorischen Hürden soll ebenso das autonome Fahren gefördert und so das Mobilitätsangebot ausgeweitet und bezahlbarer gemacht werden.
Von allen im Bundestag vertretenen Parteien betont die FDP am stärksten die Chancen Künstlicher Intelligenz. Statt konkretem Regulierungsbedarf sehen die Freien Demokraten eher die Notwendigkeit der Deregulierung, um die Entwicklung und Anwendung Künstlicher Intelligenz zu vereinfachen und zu fördern. Kritisch sieht die FDP lediglich den Einsatz intelligenter Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung, welche sie ablehnt – gleichzeitig wird sie allerdings an Kriminalitätsschwerpunkten als „sinnvolle Ergänzung bei der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung“ gesehen.
Bündnis 90/Die Grünen
Auch die Grünen behandeln das Thema Künstliche Intelligenz in ihrem Wahlprogramm vergleichsweise umfangreich und nehmen Bezug auf zahlreiche Themenfelder. Dabei liegt der Fokus auf den Themen Umwelt und Energie, aber auch Wirtschaft sowie Konsumentenschutz. Des Weiteren werden insbesondere die Chancen und Potenziale für neue Formen von Mobilität hervorgehoben.
Durch einen „Zukunftsfond“ möchten die Grünen gezielt Gründer und junge Start-ups im Bereich Künstliche Intelligenz auf nationaler und europäischer Ebene finanziell unterstützen. Die wirtschaftliche Förderung der Künstlichen Intelligenz und junger Unternehmen soll dabei im Dienst der Nachhaltigkeit stehen. Durch öffentliche Investitionen in intelligente Energiesysteme sollen darüber hinaus erneuerbare Energien subventioniert und so der Energie- und Ressourcenverbrauch reduziert werden. Auch im Bereich Verkehr und Mobilität sehen die Grünen beachtliche Potenziale durch Künstliche Intelligenz für den Klimaschutz. So wird beispielsweise das autonome Fahren nicht nur als Chance für den Industriestandort Deutschland gewertet, sondern als Teil umweltfreundlicher und verkehrssicherer Mobilität.
Im Vergleich zu den anderen im Bundestag vertretenen Parteien betonen die Grünen besonders die Potenziale von KI-basierten Technologien, – eine Gemeinsamkeit mit der FDP. Laut dem Wahlprogramm der Grünen bietet die Künstliche Intelligenz bedeutende Chancen für die Wirtschaftskraft Deutschlands und Europas und den Klimaschutz, aber auch im Bereich Gesundheit und Forschung. Nur für die internationale Sicherheit werten die Grünen Künstliche Intelligenz als ein Risiko, weshalb sie ein verbindliches Verbot von autonomen Waffensystemen auf internationaler Ebene fordern.
Die Linke
Die Linkspartei bietet bezüglich Künstlicher Intelligenz das Politikangebot mit der größten Unterscheidbarkeit zu den anderen Parteien. Dabei weist das Wahlprogramm das breiteste Themenspektrum aller untersuchter Parteien auf. Der Fokus liegt auf den mit Künstlicher Intelligenz verbundenen Risiken und Herausforderungen vor allem im Hinblick auf die internationale Sicherheit und die Grundrechte der Bürger.
So sieht die Linke in KI-basierten Technologien in erster Linie eine Bedrohung für die internationale Sicherheit und den internationalen Frieden. Es wird ein internationales Verbot des Einsatzes bewaffneter Drohnen und autonomer Waffensysteme gefordert, ebenso wie jegliche Forschung zum Einsatz Künstlicher Intelligenz im militärischen Bereich. Auch die Privatsphäre der Bürger wird durch Künstliche Intelligenz in Gefahr gesehen. Hier positioniert sich die Linke klar gegen eine Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung im öffentlichen Raum und fordern ebenfalls ein Verbot.
Darauf aufbauend fordert die Linke mehr Transparenz bei Algorithmen und Künstlicher Intelligenz, um aktiv einer Diskriminierung entgegenzuwirken. Algorithmen, die in der Entscheidungsfindung eingesetzt werden, sollen auf Diskriminierungsfreiheit geprüft werden und in Einsatzbereichen wie der Kreditwürdigkeit ganz verboten werden. Insgesamt sieht die Linke im Vergleich zu den anderen Parteien den größten direkten Regulierungsbedarf und fordert in zahlreichen konkreten Bereichen sogar ein Verbot von KI-basierten Technologien und Algorithmen.
SPD
Die SPD macht ein relativ oberflächliches Politikangebot bezüglich des Umgangs mit Künstlicher Intelligenz. Die wenigen Aussagen im Wahlprogramm konzentrieren sich auf die Bereiche Bildung und internationale Sicherheit. Hier konzentrieren sich die Aussagen auf die schulische Bildung in Form von intelligenten Lernsoftwares, um die Lehrkräfte zu entlasten und gleichzeitig die Lernprozesse zu individualisieren. Ein Risiko durch Künstliche Intelligenz sehen die Sozialdemokraten hingegen für die internationale Sicherheitspolitik. Hier verfolgen Sie das Ziel einer „Ächtung autonomer tödlicher Waffensysteme“ sowie der Etablierung einer Rüstungskontrolle im Bereich Künstliche Intelligenz. Ebenso betont wird das Risiko von vorurteilsbehafteten und diskriminierenden Algorithmen, weshalb eine regelmäßige Prüfung der Algorithmen auf eine vorurteilsfreie Programmierung und diskriminierungsfreie Datengrundlage vorgeschlagen wird.
Dem Wahlprogramm der SPD fehlt es jedoch an vielen Stellen an konkreten politischen Maßnahmen und Zielsetzungen mit Blick auf die politische Steuerung von Künstlicher Intelligenz. Regulierungsbedarf wird primär im militärischen Bereich gesehen, ebenso zur Wahrung der Diskriminierungsfreiheit. In den Augen der Sozialdemokraten überwiegen die Risiken dabei die Potenziale, wobei sie sich gleichzeitig zu vielen Themenfeldern eher neutral oder gar nicht positionieren.
AfD
Beim Thema Künstliche Intelligenz zeigt sich die AfD weitgehend profillos und bietet keine konkrete politische Strategie bezüglich des Umgangs damit an. Künstliche Intelligenz wird lediglich als „Technik der Zukunft mit hohem wirtschaftlichem Potenzial“ beschrieben. Dabei fordert die AfD eine Stärkung der nationalen Kooperation im Bereich Künstliche Intelligenz, um sich vor der internationalen Konkurrenz durch multinationale Konzerne abzusichern.
Grüne und FDP sind KI-Optimisten, SPD und Linke eher KI-Pessimisten
Der Überblick über die Profile hat bereits gezeigt, dass ein großer Unterschied darin besteht, wie die Parteien über Künstliche Intelligenz sprechen und in welche Narrative von Chancen versus Risiken diese eingebettet werden. Insgesamt fällt auf, dass in den Wahlprogrammen der Parteien positive Deutungsmuster gegenüber neutralen oder negativen dominieren. Dabei sind es vor allem die Freien Demokraten und die Grünen, welche die positiven Aspekte von Künstlicher Intelligenz hervorheben. Ein vollkommen anderes Bild zeigt sich hingegen für die Sozialdemokraten und insbesondere für die Linke. Hier dominieren die Herausforderungen und mögliche Gefahren von KI-basierten Technologien. Die AfD ist aufgrund der geringen Zahl an Aussagen schwer zu bewerten, zeigt aber ein ausgeglichenes Bild, wohingegen die Union sich in vielen Aspekten eher neutral gegenüber Künstlicher Intelligenz positioniert, wenn auch mit einer leichten Tendenz zu einer Betonung der Chancen.
Wirtschaft, Außenpolitik, Forschung und Bildung sind Topthemen – andere Bereiche spielen nur eine geringe Rolle
Im Ranking der Themenfelder landen Wirtschaft, internationale Kooperation und Außenpolitik sowie Bildung und Forschung auf den ersten drei Plätzen. Im Wirtschaftsbereich wird dabei vor allem auf die Stärkung der Wirtschafts- und Wettbewerbsfähigkeit sowie Schaffung von neuen Arbeitsplätzen verwiesen. Ebenso oft finden sich Aussagen, welche eine verstärkte Zusammenarbeit auf europäischer und internationaler Ebene betonen sowie den militärischen Einsatz von Künstlicher Intelligenz wie etwa bei autonomen Waffensystemen und Kampfdrohnen thematisieren. Auf dem dritten Platz landet das Thema Bildung und Forschung. Hier geht es den Parteien in erster Linie um den Ausbau der Forschungsförderung, aber auch um die Entwicklung von Medienkompetenzen in Bezug auf Algorithmen und Künstliche Intelligenz.
Auf den weiteren Rängen folgen die Verwendung KI-basierter Technologien im Bereich Energie und Umwelt sowie Verkehr und Mobilität, – wobei auffällig ist, dass diese Themen nahezu ausschließlich von der FDP und den Grünen aufgegriffen werden. Überraschenderweise wird der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung nur sporadisch behandelt, ebenso wie die Auswirkungen auf die Arbeitswelt aus Arbeitnehmersicht. Durchaus kritisch ist es, dass über alle Wahlprogramme der Parteien auch andere wichtige gesellschaftspolitische Fragen, wie der Einsatz KI-basierter Technologien im Gesundheitsbereich, dem Schutz der Bürger vor diskriminierenden Algorithmen sowie Fragen im Spannungsfeld Privatsphäre und Datenschutz eine nachgeordnete Rolle spielen.
Unterschiede im Politikangebot, aber kaum spezifische Maßnahmen
Trotz der insgesamt breiten Auseinandersetzung mit dem Thema zeigt sich hinsichtlich des Angebots an konkreten Handlungsstrategien und Instrumenten ein ernüchterndes Bild. In über 40 Prozent der Aussagen werden überhaupt keine politischen Maßnahmen erwähnt.
Wenn Maßnahmen genannt werden, dann dominieren öffentliche Investitionen etwa im Rahmen von Forschungs- und Wirtschaftsförderung. Dabei fällt auf, dass vor allem die Union, FDP und Grüne mittels staatlicher Investitionen die Potenziale von KI-basierten Technologien fördern wollen, während der Ausbau staatlicher Förderung bei der SPD eine geringe und bei der Linken überhaupt keine Rolle spielt. Staatliche Regulierungen werden in allen Wahlprogrammen der im Bundestag vertretenen Parteien erwähnt und sind so am zweithäufigsten genannt. Bei der staatlichen Förderung tun sich insbesondere Linkspartei und SPD hervor. Das Verbot von besonders kritischen KI-Anwendungen wie etwa bei autonomen Waffensystemen, bei Gesichtserkennung oder algorithmischer Entscheidungsfindung am Arbeitsplatz, ist die dritthäufigste Maßnahme. Besonders die Linkspartei erwähnt solche Verbote verglichen zu den anderen Parteien häufig. Andererseits finden sich auch Forderungen nach einem Abbau regulatorischer Hürden und der Vorfahrtsgewährung von Marktmechanismen – allerdings ausschließlich im Programm der FDP.
In unserer Auswertung zeigt sich deutlich, dass komplexere Politikinstrumente zur Steuerung der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, wie zum Beispiel der Aufbau von Netzwerken und die Einbeziehung von gesellschaftlichen Akteuren kaum eine Rolle in den Wahlprogrammen spielen, ebenso wie das Monitoring von Entwicklungstrends im Bereich Künstlicher Intelligenz oder die Durchführung von öffentlichen Aufklärungskampagnen zur Herausbildung von Vertrauen und Medienkompetenzen. Diese werden von keiner Partei als mögliche Maßnahmen ins Spiel gebracht.
Fazit
Es bleibt abzuwarten, welches parteipolitische Konfliktpotenzial das Thema Künstliche Intelligenz in unterschiedlichen Politikfeldern zukünftig mit sich bringen wird. Ein illustratives Beispiel bietet das Themenfeld Innere Sicherheit, wo KI-basierte Technologien im Rahmen intelligenter Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung durch die Polizei eingesetzt werden können. Die Union befürwortet hier ausdrücklich den Einsatz von „automatisierter Gesichtserkennung an Gefahrenorten“ und betont das Potenzial, durch Künstliche Intelligenz frühzeitig kriminelle Strukturen zu erkennen und diesen entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite lehnt die Linke den Einsatz automatisierter Gesichtserkennung kategorisch ab und betont dementgegen das Recht auf Privatsphäre. Die FDP nimmt eine „sowohl-als auch“-Position ein, wonach „durch den Einsatz von Software zur automatisierten und massenhaften Gesichtserkennung im öffentlichen Raum“ zwar eine „Totalüberwachung“ droht, die abgelehnt wird, zugleich aber der verantwortungsvolle Einsatz von KI-basierten Überwachungssystemen zur Gefahrenabwehr befürwortet wird, – wobei unklar bleibt, wie der offensichtliche trade-off aufgelöst werden soll. Komplette Stille zur Frage, ob Algorithmen bei der Gesichtserkennung bei der Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt werden sollte, herrscht bei SPD, AfD und den Grünen.
Da sich die Parteien bisher in ihren Wahlprogrammen zu vielen Anwendungsfeldern Künstlicher Intelligenz neutral oder überhaupt nicht positionieren und nur wenige konkrete Maßnahmen, Forderungen und Zielsetzungen erwähnt werden, lassen sich aktuell noch keine umfangreichen Schlüsse ziehen. Angesichts der zahlreichen und potenziell disruptiven Veränderungsprozesse in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft durch KI-basierte Technologien ist jedoch zu vermuten, dass das Thema zunehmend politisiert wird. Dies hätte wiederum zur Folge, dass sich die Positionen der Parteien wohl entlang bekannter Konfliktdimensionen anordnen werden – zum Beispiel mehr Markt versus mehr Staat oder Potenziale fördern versus Risiken regulieren. Dabei wird es höchste Zeit, dass das Thema Künstliche Intelligenz von den Parteien als das behandelt wird, was es ist: kein rein technisches und ökonomisches, sondern zentrales gesellschaftliches und politisches Thema.