Das Spannende an einem Duell ist ja dessen kompromisslose Einmaligkeit. Da treffen sich Zwei. Es wird geschossen. Und schon ist‘s vorbei. Der Platz wird geräumt. Die Wunde verarztet. Die Leiche entsorgt. Daraus entsteht ein gewisses Spannungspotential.
Gestern Abend traten dann zum ich-weiß-nicht-wievielten Mal die Duellanten Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) aufeinander. Da stellt sich dann bei den Zuschauern eine gewisse Gewohnheit ein. Es wird wieder keinen Toten geben. Wie langweilig.
Dieser Gefahr waren sich die beiden Moderatoren Marion Horn und Jan Philipp Burghard offenbar bewusst. Und statt wie Jauch & Co bei RTL Entweder-Oder-Fragen der Banalitäten-Kategorie „Opposition oder Dschungelcamp“ zu stellen, hatten die beiden sich vorgenommen, die menschliche Seite der Kandidaten zu zeigen.
Gefühl statt Rhetorik
Das ist ihnen gelungen. Ein gewisser Polit-Boulevard auf Bundespolitik-Niveau. Olaf Scholz sprach plötzlich über die Liebe. Und Friedrich Merz tief berührt über zwei verstorbene Geschwister. Und beide waren in diesen Momenten echt. Vielleicht so sehr sie selbst, wie man sie noch nicht erlebt hatte. Statt gebügelter Rhetorik: Gefühl.
Es ist den beidem Moderatoren häufiger gelungen, solche Momente der unverstellten Authentizität herzustellen, so dass dieses Duell bisweilen zu einem Portrait der Duellanten wurde. Das ist eine journalistische Leistung.
Aber nun soll sich dieser Text ja mit Rhetorik beschäftigen und nicht mit Poesie-Rezensionen. Die Rhetorik der beiden ist vor allem in der Entwicklung seit dem ersten Duell zu betrachten. Olaf Scholz ist es gelungen, sich Schritt für Schritt aus der Defensive des ersten Duells zu befreien. Er tritt mutiger auf, klarer, geradezu leidenschaftlich. Das steht ihm. Das hätten wir gerne früher erlebt. So ein Kanzler, naja, der wäre nicht schlecht.
Scholz hat sich freigespielt
Friedrich Merz hat es deutlich schwerer, den Kanzler klein zu halten. Klar, Merz kann sprechen, dass seine Sätze zu Fallbeilen werden. Knapp, präzise, scharf. Das hat sowieso Kanzler-Format. Vor allem in Zeiten, in denen die Menschen Klarheit und Führung wünschen.
Aber Olaf Scholz gewinnt nach jedem Gegenüber immer die meisten Sympathie-Punkte. Auch das hat seine Gründe. Er spricht wärmer, verbindlicher, herzlicher. Scholz hat sich offenbar freigespielt, würde man im Fußball wohl sagen.
Vorschlag: Was wäre, wenn diese beiden Duellanten zu Kombattanten würden? Man hat das Gefühl, die beiden haben sich im Verlauf der Duelle schätzen gelernt. Und irgendwie sind sie auch rhetorisch wunderbar komplementär.
Koalition des Vertrauens
Das rhetorische Fallbeil Merz, und Scholz: das Herz im Maßanzug. Die beiden haben in den Duellen eine Koalition des Vertrauens geschmiedet. Das zeigen die Umfragen nach den Duellen.
Vielleicht reichen sie sich die Hand, vernachlässigen Eitelkeiten und arbeiten gemeinsam an all dem, was unser Land jetzt braucht. Nach all den Duellen möchte man auf die beiden als Team eigentlich nicht mehr verzichten.