Rhetorikcheck: Anton Hofreiter

Praxis

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter schreitet nach der Regierungserklärung durch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit großen Schritten durch den Plenarsaal ans Rednerpult. In der Debatte geht es an diesem Tag um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und die Chancen des digitalen Wandels. Noch ein Schluck Wasser, das Pult angepackt, dann geht‘s auch schon los: “Sehr geehrter Herr Kollege Gabriel, Sie haben gesagt, das Land ist handlungsfähig. Ja, das Land ist handlungsfähig. Das Land ist handlungsfähig dank tausender und abertausender Freiwilliger, die sich darum kümmern, dass die Flüchtlinge entsprechend versorgt werden. Das Land ist handlungsfähig dank Unmengen aktiver Kommunalpolitiker und dank Unmengen Beamter und Angestellter des öffentlichen Diensts, die einen ganzen Haufen Überstunden schieben. Da ist das Land handlungsfähig. Da gebe ich Ihnen sogar Recht.”

Der Einstieg rüttelt die Abgeordneten im Saal wach, denn Hofreiter nutzt die Wirkungssteigerung der Anapher, einer Redefigur, die schon die alten Griechen kannten. Dabei werden Satzanfänge oder Teilsätze dem Wortlaut nach wiederholt, wie “Das Land ist handlungsfähig”. Die Anapher erhöht nicht nur die Wirkung beim Zuhören, sondern ordnet auch die Gedanken beim Vortragen. So nutzen viele Politiker, die in der freien Rede gut sind, immer wieder die Anapher als strukturierende Redefigur.

Antithetik steigert die Spannung

Handlungsfähig sind also laut Hofreiter nur Teile des Landes. Da ist der Zuhörer natürlich neugierig zu erfahren, wer da nicht handlungsfähig ist: “Aber, wenn ich mir anschaue, wie sich die Große Koalition in den letzten Wochen und Monaten benommen hat…, dann stellt man halt fest, dass diese Regierung nicht handlungsfähig ist. Allein, wenn man an den Herrn Seehofer denkt. Der ist inzwischen schon beim fünften Ultimatum, dass er an diese Bundesregierung stellt… Und ist der Mensch jetzt Teil einer Großen Koalition? Ja oder nein? Er ist es. Also, wir stellen fest: Die Große Koalition ist nicht handlungsfähig!”

Anton Hofreiter hat Neugier geweckt durch eine spannungssteigernde Antithetik. Einen Kontrast zwischen handlungsfähig und nicht handlungsfähig aufzubauen, das macht nicht nur beim Reden Freude, sondern wirkt auch beim Zuhören gut. Man versteht schnell, was Hofreiter will. Doch nun zur Wortwahl, denn die ist im freien Vortrag oft ein Schwachpunkt. Bestimmt hat Anton Hofreiter Recht, wenn er die vielen Freiwilligen, Beamten und Angestellten nennt, die “einen ganzen Haufen Überstunden schieben”. Aber müssen es gleich “Unmengen” Beamter sein? Beamte sind schließlich Menschen. Einmal mag man als Zuhörer eine Übertreibung noch tolerieren. Bei Anton Hofreiter kommen sie in der Rede häufiger vor und paaren sich mit ungenauen Formulierungen und einem bayerischen Akzent.

Beim bayerischen Akzent gilt: Eigentlich mögen ihn die meisten Deutschen ganz gern. Wenn da nur nicht immer wieder die grammatikalischen Besonderheiten wären. Merke: Wer undeutlich spricht, denkt undeutlich! So lautet eine weitverbreite Fehlinterpretation beim Zuhören.

Fazit

Wirkungssteigernde Redefiguren, Spannungsaufbau, ein kämpferischer Vortragsstil und der freie Vortrag sind die großen Stärken von Anton Hofreiter. Einzig die mitunter fehlende Mimik, einige Übertreibungen und eine zum Teil bayerisch geprägte Grammatik reduzieren die Ernsthaftigkeit.

Mimik, Gestik, Körpersprache:

Lebendiger Ausdruck:

Redeaufbau: