Ressourcen schonen beim Dolmetschen

Kommunikation

Aufgrund der zunehmenden Migration in die EU gibt es einen wachsenden Bedarf an qualitativ hochwertigen Dolmetschern. Behörden oder öffentliche Einrichtungen verbringen viel Zeit damit, den richtigen Dolmetscher zeitnah an den Tisch zu bekommen. Entweder werden lange Listen abtelefoniert oder intern recherchiert, ob eine Kollegin die erforderliche Sprache beherrscht. Nicht nur die intensive Suche, sondern auch die Anreise von Dolmetschern kostet Zeit und Geld.

Mehr als nur Sprachmittlung

Auf einer übergeordneten Ebene ermöglicht Dolmetschen gesellschaftliche Teilhabe. Menschen ohne ausreichende Sprachkenntnisse sind auf eine rechtssichere Übertragung angewiesen. Dabei reicht es nicht aus, die Sprache des Gegenübers zu sprechen. Entscheidend ist eine vertrauensvolle und qualifizierte Sprachmittlung. Das funktioniert nur, indem Schlüsselbereiche wie Justiz, Bildung, Krankenwesen, Behörden und Beratungsstellen auf professionelle Dolmetscherinnen setzen.

Ihr Einsatz gewährleistet die authentische Vermittlung von Sprache und Kultur und stellt sicher, dass alle im Raum verstehen, was genau besprochen wird. Bildlich gesprochen: Alle Beteiligten tanzen gemeinsam eine Choreografie, ohne sie vorher einstudiert zu haben. Der Beruf erfordert ein hohes Maß an Präzision. Spezielle Notizentechniken stellen zum Beispiel sicher, dass auch kleinste Informationen oder Satzteile nicht verloren gehen. Auch die Neutralität spielt beim Dolmetschen eine entscheidende Rolle. Das kann bedeuten, dass Dolmetscher keine andere Formulierung verwenden, wenn sie beispielsweise der Meinung sind, dass eine bestimmte Aussage politisch nicht angemessen war.

Ein weiteres wichtiges Merkmal des qualitativen Dolmetschens ist die Transparenz gegenüber allen Beteiligten. Das zeigt sich zum Beispiel, wenn während eines Gesprächs Rückfragen entstehen. Dolmetscherinnen sollten diese offen kommunizieren, damit keine Partei das Gefühl hat, dass etwas ohne sie besprochen wurde. Gerade bei heiklen Themen ist in dieser Rolle Empathie gefordert, denn oft reicht es nicht aus, nur das gesprochene Wort zu dolmetschen. Fühlt sich eine Person beispielsweise unwohl, drückt sie dies oft durch ihre Körpersprache aus. Diese richtig zu interpretieren erfordert Einfühlungsvermögen, aber auch kulturelles Verständnis.

Behördendolmetschen: Eine Bestandsaufnahme

Geopolitische Entwicklungen erfordern von öffentlichen Institutionen, die Nachfrage nach Sprachen permanent zu optimieren. Nach dem Arabischen Frühling wurden beispielsweise Sprachen wie Arabisch, Dari, Fasi und Paschtu gefordert. Seit dem Krieg in der Ukraine steigt die Nachfrage nach Russisch und Ukrainisch. Auffallend ist, dass die Nachfrage nach diesen Sprachen ausnahmslos hoch bleibt. Auch Dolmetscher für andere Sprachen, die aufgrund der geografischen Nähe oder im deutschsprachigen Raum verbreitet sind, werden zunehmend gesucht.

Betrachtet man die Art der Institutionen, so sind es vor allem Asylzentren, Arbeitsämter, Jugendämter, Frauenhäuser, Krankenhäuser, psychosoziale Dienste und der gesamte öffentliche Verwaltungsbereich, in denen ein hoher Bedarf an Dolmetschern besteht. Für diese Bereiche ist es mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden, zeitnah die richtige Sprache dolmetschen zu können.

Es gibt lange Wartezeiten, bis eine Dolmetscherin vor Ort ist und sich eingerichtet hat. Jede An- und Abreise ist mit Kosten und Unsicherheiten wie Verspätungen durch Staus oder Zugausfälle verbunden. Hinzu kommt, dass jeder Dienstleister eine eigene Rechnung benötigt, was wiederum Ressourcen in den Einrichtungen bindet.  Das ist beispielsweise für unterbesetzte Ämter nachteilig. Wertvolle Arbeitszeit geht verloren und weniger Bürger erhalten noch am selben Tag Hilfe.

Nachhaltige Alternativen

Viele von uns nutzen die gängigen Übersetzungsprogramme im Internet. Das Übersetzen von Online-Texten oder Gesprächen auf diese Weise hat sich mittlerweile gesellschaftlich etabliert. Allerdings ist bei diesem KI-basierten Mechanismus eine Fehlerquote nicht auszuschließen. Was bei der Bestellung im Restaurant noch harmlos ist, kann im medizinischen Bereich fatale Folgen haben. Auch bei der Vernehmung von Straftätern ist die Technik nicht mit der Strafprozessordnung vereinbar. Beim Thema Datenschutz sollten sich die Nutzerinnen zudem bewusst sein, dass es keine Sicherheit für die eingegebenen Daten gibt. Vor allem im Bereich der Privatsphäre verlässt man hier den rechtskonformen Raum.

Audio- oder Telefondolmetschen kann bei schlechter Internetverbindung eine gute Alternative sein. Das Telefon eignet sich gut für Gespräche, die Anonymität oder Diskretion erfordern. Dies ist zum Beispiel bei medizinischen Untersuchungen der Fall, bei denen sich eine Person entkleiden muss. Mimik und Gestik haben beim Telefonieren jedoch keinen Platz, was zu Missverständnissen führen kann. Die nonverbale Kommunikation spielt oft eine entscheidende Rolle, vor allem dann, wenn Menschen sich unwohl fühlen. Man denke nur an Flüchtlinge, die bei ihrer Ankunft in einem fremden Land von Menschen befragt werden, die sie nicht verstehen, oder die sich vor einem Ärzteteam ausziehen müssen, um medizinisch versorgt zu werden.

Remote-Dolmetscher, die per Video zugeschaltet werden, ermöglichen Behörden dagegen, flexibel auf eine unvorhersehbare Nachfrage reagieren zu können. Wünsche nach einer weiblichen Dolmetscherin oder einem Gespräch in einer weniger gängigen Sprache können schnell umgesetzt werden. Der persönliche Austausch über die Kamera schafft zudem Nähe, auch wenn nonverbale Kommunikation nicht vollständig möglich ist.

Behörden können sich helfen, indem sie eine Anlaufstelle einrichten, die alle Dolmetscherinnen verwaltet und die Abwicklung sicherstellt. Dies kann intern durch eine Abteilung geschehen, die alle Dolmetscher betreut. Oder man investiert in einen externen Dienstleister, der die Koordination der Dolmetscherinnen und die Abrechnungen in einer Art One-Stop-Shop übernimmt.

Dem strukturellen Wandel begegnen

Vor allem Digitalisierung und Globalisierung, aber auch die Folgen der Pandemie führen zu einem strukturellen Umdenken. Es ist nicht zielführend, für Standardgespräche eine Dolmetscherin lange anreisen zu lassen. Vielmehr sollte die Option gewählt werden, die für alle Beteiligten am besten geeignet ist.

Sehr sensible Themen sollten natürlich bevorzugt im persönlichen Austausch mit einem Dolmetscher vor Ort besprochen werden. Aber: In kritischen Situationen, wie sie beispielsweise beim Jugendamt auftreten, kann eine schnelle Abwicklung von Vorteil sein.

Bei routinemäßigen Vorgängen, wie zum Beispiel beim Arbeitsamt, können auch Dolmetscherinnen per Video zugeschaltet werden. Die Kostenersparnis ist enorm, da an einem Tag mehr Bürger betreut werden können und wertvolle Bearbeitungszeit eingespart wird.

Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Aspekt: Weder beim Audio- noch beim Videodolmetschen fallen Reisekosten an, was sich positiv auf die CO2-Bilanz öffentlicher Einrichtungen auswirkt. Außerdem gibt es für viele Sprachen nur wenige vereidigte Dolmetscher. Diese müssen dank der neuen Technik keine langen Reisen mehr auf sich nehmen, sondern können bequem von zu Hause aus arbeiten. So werden knappe Ressourcen nutzbar gemacht.