Nach Berlin ziehen?

Pro und Kontra

Pro
von Petra Merkel

Machen wir uns nichts vor: Über kurz oder lang wird es nur einen Regierungssitz geben, dann werden sich alle Bundesministerien in Berlin konzentrieren. Der „Rutschbahneffekt“ ist da und nicht mehr aufzuhalten. Die Zahl der Arbeitsplätze in den Berliner Ministerien steigt, die in Bonn nimmt ab. Die Frage ist nun: Lassen wir es einfach so weiterlaufen oder wird gemeinsam mit Bonn überlegt, wie ein Umzug bestmöglich auch für Bonn und die Region gestaltet werden kann?
Schon bei der Diskussion, ob der Regierungssitz in Berlin oder in Bonn sein sollte, waren die Argumente zu hören, die sich jetzt wiederholen: Die Existenz der Region stehe auf dem Spiel, der Bund sei der größte Arbeitgeber, ein Wegzug nicht zu kompensieren. Und wie sieht es 2011 aus? Bonn, die Bundesstadt, blüht – und das ist auch gut so! Telekom und Deutsche Post tun das Ihre. Bonn wächst so stark wie keine andere Stadt in Nordrhein-Westfalen. Natürlich sollte der Bund den Strukturwandel bei einem Komplett-umzug weiter unterstützen. Das hat er auch bislang getan. Viele Institutionen, die vom Bund finanziert werden, haben ihren Sitz in Bonn. Das sind schon jetzt rund 17.000 Arbeitsplätze.
Bonn ist und bleibt ein wichtiger Teil der deutschen Geschichte. Die Demokratie hat hier nach dem Zweiten Weltkrieg Wurzeln geschlagen und ein Staatssystem verankert, auf das wir stolz sein können. Deshalb hat Bonn eine verlässliche, langfristige Perspektive verdient. Diese Perspektive bedeutet nicht, am Berlin-Bonn-Gesetz festzuhalten. Die Geschichte geht weiter und wichtig ist, dass effektiv und effizient gearbeitet werden kann. Bis zu 8 Millionen Euro kosten die Reisen zwischen Bonn und Berlin jährlich. Wie viel Effizienz bleibt bei den rund 600 km auf der Strecke?
20 Jahre nach der Deutschen Einheit ist die Zeit reif für eine Änderung des Berlin-Bonn-Gesetzes. Wir sollten gemeinsam den Umzug der Ministerien in die Hauptstadt Berlin planen – und einen guten und fairen Ausgleich für die Bundesstadt Bonn finden!
 

Kontra
von Norbert Röttgen

Eine faire Aufgabenteilung zwischen Bonn und Berlin war die Grundlage für die historische Umzugsentscheidung des Deutschen Bundestags und ist damit fester Bestandteil dieses Beschlusses.
Vor diesem Hintergrund ist die Einhaltung des Bonn-Berlin-Gesetzes keine regionale oder gar kommunale Angelegenheit. Es handelt sich vielmehr um eine Frage nationaler Verantwortung und Verlässlichkeit. Politik muss berechenbar sein. Das Bonn-Berlin-Gesetz ist weder mit einem „Verfallsdatum“ ausgestattet noch als „Übergangslösung“ angelegt. Der Deutsche Bundestag hat mit seiner Entscheidung im Jahr 1991 ein Bekenntnis gegen einen neuen Zentralismus abgelegt und aus guten Gründen entschieden, dass Deutschland künftig zwei bundespolitische Zentren haben soll, nämlich Berlin und Bonn.
Als Sitz des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung hat Bonn unser Land über Jahrzehnte hinweg geprägt. Die „Bonner Jahre“ waren gute Jahre für Deutschland. Mit dem Bonn-Berlin-Gesetz ist auch die Entscheidung verbunden, diese Zeit nicht zu beenden, sondern Bonn für die Zukunft eine besondere Aufgabe als „Bundesstadt“ zu übertragen – als Standort von Ministerien, als Zentrum wichtiger Politikbereiche und – nicht zuletzt – als Sitz der Vereinten Nationen sowie weiterer internationaler Einrichtungen.
Im Übrigen hat sich die Aufgabenteilung zwischen Berlin­ und Bonn längst eingespielt und funktioniert reibungslos. Ein vollständiger Umzug wäre mit erheblichen Kosten verbunden, die in keinem Verhältnis zu den laufenden Kosten ­stehen, die durch die beiden Dienstsitze der Ministerien verursacht ­werden.
Es gibt also keinen Anlass, die Beschlüsse des Jahres 1991 in Frage zu stellen. Der Deutsche Bundestag hatte damals gute Gründe für seine Entscheidung. Diese gelten unverändert. Ich werde mich deshalb weiterhin mit voller Überzeugung für das Bonn-Berlin-Gesetz einsetzen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Kampf ums Internet – Die Lobby der Netzbürger formiert sich. Das Heft können Sie hier bestellen.