Das Grundgesetz sieht in Artikel 50 vor, dass die Länder bei der Gesetzgebung und bei Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken. Wie sie das machen, ist der Job der Bevollmächtigten der Länder beim Bund und der von ihm oder zunehmend ihr geleiteten Landesvertretung. Es gibt gewählte und ernannte Bevollmächtigte (BV). Meinem Vorgänger in Bremen, Erik Bettermann, ist es mithilfe einer Großen Koalition gelungen, die Verfassung so zu ändern, dass der Status von ernannt zu gewählt verändert wurde, was durchaus Einfluss auf den Rang der Bevollmächtigten hat. Denn als gewählter BV ist man in der Regel Mitglied einer Landesregierung (auch wenn man dadurch nicht automatisch Senator oder Minister wird – aber durch die Anwesenheit am Sitz der Bundesregierung, die Nähe zum Ministerpräsidenten und durch Anreicherung um das Gebiet Europa wird das zumeist geheilt).
Als Mitglied einer Landesregierung ist man auch Mitglied des Bundesrats, darf bei Plenarsitzungen des Bundesrats das Wort ergreifen, sofern das der Senat oder der Ministerrat zuvor genehmigt hat und darf im Vermittlungsausschuss mitwirken (einem aus gutem Grund vertraulich tagenden Gremium, das bei fest gefahrenen Situationen zwischen Bundesstag und Bundesrat vermitteln darf und deshalb gleich stark mit je zwei Mitgliedern – Verantwortlicher und Stellvertreter – pro Land und aus dem Bundestag parteipolitisch ausgewogen mit ebenfalls 16 Mitgliedern besetzt ist). Außerdem kann man dem „Ständigen Ausschuss der Bevollmächtigten“ schneller vorsitzen, sodass ich nahezu meine ganze Amtszeit als Vorsitzende des Ständigen Ausschusses vorne saß und die Sitzungen – als Genossin und Bremerin, dem wahrhaft kleinsten Land – streng neutral, denn das ist so Brauch im Ständigen Beirat – geleitet habe, was natürlich einige Unionsangehörige geärgert hat, die dieses Recht eher der im Bund regierenden CDU zukommen sahen.
In Bonn waren die Landesvertretungen wichtiger als in Berlin. Zumindest gesellschaftlich. Landesvertretungen verstehen sich als Schaufenster des jeweiligen Landes und machen kulturelle, wissenschaftliche und vor allem wirtschaftliche Veranstaltungen, um das Land bei den Bürgern und vor allem den Abgeordneten am Sitz des Parlaments und der Bundesregierung bekannt zu machen. In Bonn waren Einladungen zu Landesvertretungen, besonders zu den Sommerfesten, sehr begehrt. In Berlin buhlen täglich tausende von Veranstaltungen um die MdBs. Mal ganz abgesehen von politischen Veranstaltungen wie Arbeitsgruppen- oder gar Fraktions- oder Plenarsitzungen. Umso wichtiger ist es, dass die Bevollmächtigten politisch gut vernetzt sind, viele Menschen in den Parteien, im Kanzleramt oder in den entscheidenden Ministerien kennen, um im Interesse des Landes mal schnell anzurufen oder eine E-Mail zu schicken.
Ich habe auch lange Zeit die A-Länder koordiniert, um vor den Bundesratssitzungen zu einem einstimmigen Urteil über die BR-Belange zu kommen und nur die wichtigsten Dinge mit den Ministerpräsidenten (MPs) bei einem abendlichen Essen oder einem Frühstück vor der Bundesratssitzung zu klären. A-Seite sind die SPD-geführten Länder, die B-Seite hat einen der CDU oder CSU angehörenden MP. Die Bezeichnung stammt aus der ersten Großen Koalition in Bonn und vieles ist auch heute noch nach A und B aufgeteilt, obwohl sich einiges verändert hat. Inzwischen gab es nach den vielen Koalitionen in den Ländern mit der FDP (Tempi Passati) eine F-Koordinierung und inzwischen gibt es eine G-Koordinierung (Grüne), denn man will ja nicht auch noch im Bundesrat mit der Partei zusammentreffen, die man zuhause in der Koalitionsregierung dauernd vor Augen hat.
Was sagte die Berliner Zeitung „Der Tagesspiegel“ so treffend? Die „Bundesratsbevollmächtigten … sorgen mit dafür, dass sich die föderalen Strippen nicht verheddern“ und das ist wichtiger denn je; denn wenn sich auch die gesellschaftliche Relevanz der von den Bevollmächtigten geleiteten Landesvertretungen durch den Umzug geändert hat, so ist deren politische Relevanz doch durch die wachsende Bedeutung der Koalitionsregierungen in den Ländern bei gleichzeitigem Bedeutungsverlust der Volksparteien gestiegen.