Im Scheitern liegt keine Schönheit

Zwischenruf

Seit der Ampel erleben wir in Deutschland eine neue Romantik. Eine geistige Haltung, die sich quer durch Politik, Medien und Kultur zieht. Sie steht im Widerspruch zur Aufklärung, die unsere Demokratie einst geistig begründete: gegen die Vernunft, die kritische Öffentlichkeit und die individuelle Freiheit. Es ist das Comeback des Gefühls – ästhetisch, selbstbezogen, moralisch aufgeladen.

Diese neue Romantik liebt das Scheitern mehr als den Fortschritt, das Gefühl mehr als die Logik. Und sie entfaltet gerade dort die größte Wirkung, wo Macht und Meinung aufeinandertreffen: in der öffentlichen Debatte, begleitet vom politischen Journalismus. Kaum eine Person steht so symbolisch für diese romantische Wende der deutschen Politik wie Robert Habeck.

Habeck, der Philosoph im Ministeramt, hat das politische Scheitern zu einer Kunstform erhoben. Mit schwerem Blick und existenzialistischem Vokabular erklärte er der Republik nicht nur, dass er falsch lag – sondern warum gerade dieses Falschliegen Ausdruck moralischer Integrität sei. Selbstzweifel wurden zur Tugend, die Fehlerkultur zur Ästhetik. Was rational scheiterte, wurde poetisch verklärt. Der gesunde Menschenverstand? Zu banal. Die Realität? Eine Zumutung. Seine Ideologie starb während seiner Amtszeit – aber in Schönheit.

Flucht vor der Realität

Das ist der Kern dieser neuen Romantik: Sie flüchtet sich ins Gefühl, wenn die Wirklichkeit unbequem wird. Und sie erzeugt dabei ein Klima, das die alten Kategorien von Freiheit, Kritik und Rationalität unter Verdacht stellt. Die Realität ist zu komplex. Der Bürger überfordert. Hoffnungslos. Statt Aufklärung erleben wir pädagogischen Paternalismus.

Auch die Medien sind Teil dieser Bewegung. Viele sehen sich nicht mehr als Vierte Gewalt, sondern als Hüter der Demokratie – und damit als Begleiter einer moralisch aufgeladenen Politik. Statt mit kaltem Blick auf Macht und Verantwortung zu schauen, wird sich lieber im moralischen Kaminzimmer intellektuell gewärmt – bei einem guten Glas Haltung. Kritik wird zur Kränkung, Kontrolle zur Nestbeschmutzung. Man hat sich eingerichtet im Meinungskonsens und stilisiert jeden Zweifel zur Gefahr für die Demokratie. Währenddessen wächst die Gruppe dieser „Andersdenkenden“ zur Mehrheit. Langsam, aber stetig.

Diese neue Romantik ist nicht harmlos. Sie ist gefährlich, weil sie politische Macht hat. Denn sie prägt inzwischen auch den staatlichen Zugriff. Wer widerspricht, riskiert heute mehr als Empörung. Der §188 des Strafgesetzbuches etwa, einst gedacht zum Schutz von Repräsentanten vor Verleumdung, wird heute benutzt, um gegen Bürger mit der ganzen Härte des Rechtsstaats vorzugehen – systematisch, mit Hilfe digitaler Plattformen und wegen banaler Internet-Memes. Dass „The Economist“ – ein britisches Magazin mit linksliberaler DNA – vor einer Erosion der Meinungsfreiheit in Deutschland warnt, ist ein Armutszeugnis für den hiesigen Journalismus.

Von Rhetorik zur Repression

Diese neue Romantik ist kein intellektueller Spleen mehr. Sie ist das ideologische Projekt eines gescheiterten Milieus. Und sie führt nun ihren eigenen Überlebenskampf – gegen die Realität, gegen die Aufklärung, gegen den widerspenstigen Bürger. Ihre Mittel sind längst nicht mehr rhetorisch, sondern repressiv.

Eine neue Regierung, die es ernst meint mit einer neuen Ära der Aufklärung und politischer Vernunft, müsste ein Zeichen setzen. Der erste Schritt: die Reform oder Abschaffung des §188 StGB. Denn Schutz brauchen nicht die Mächtigen – sondern jene, die ihnen auf die Finger schauen.

Und ja, die neue Regierung wird einen schweren Start haben. Sie muss aber nur dem Souverän gefallen, nicht dem Feuilletonisten. Die romantische Verklärung der Ampel war groß – umso größer nun das naserümpfende Unverständnis für jene Regierung, die ihr folgt. Eine Koalition der Notwendigkeit, keine der Gefühle. Eine Zwangsheirat, kein Liebesdrama. Und vor allem: ohne den leidenden Helden, an dem sich der deutsche Intellekt am politischen Scheitern ergötzen kann.
Doch Demokratie braucht keine Helden. Sondern Erwachsene.