Die EU-Kommission macht sich dieser Tage auf, den Bürokratie-Dschungel bei den Berichtspflichten etwas zu lichten. Kurz vor dem Jahreswechsel haben die EU-Gesetzgebungsorgane mit der Verschiebung der EU-Entwaldungsverordnung einen ersten Schritt unternommen. Der Mechanismus zur Berichterstattung über entwaldungsfreie Lieferketten wird nun nicht bereits zu Ende 2024, sondern schrittweise ab Ende 2025 scharf geschaltet. Aufgeschoben ist in diesem Fall aber nicht aufgehoben. Daher werfen wir in dieser Ausgabe einen Blick auf das Regelungswerk mit dem noblen Ziel des Schutzes der grünen Lungen unserer Erde. Wir betrachten auch, wie genau Händler, Produzenten, Importeure und Exporteure von Produkten wie Kaffee und Soja nachweisen sollen, dass bei der Herstellung in zumeist fernen Ländern kein Wald gerodet wurde.
Die EU-Kommission schlug die EU-Entwaldungsverordnung 2021 vor. Sie ergänzt eine wachsende Reihe an Regeln, die Unternehmen zu mehr Verantwortung entlang ihrer globalen Lieferketten anhalten. Allen Vorhaben liegt das Spannungsverhältnis zwischen Ökologie und Ökonomie zugrunde. Die Frage nach möglichst viel Schutz von Umwelt und Sozialstandards bei möglichst wenig Bürokratie erhitzt auch nun wieder die Gemüter. Vertreter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) sprechen gar von einem „bürokratischen Monster“.
Konkret umfasst die Verordnung, den Import und Export sowie den Handel mit Rindern, Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Kautschuk, Soja und Holz und bestimmten daraus hergestellten Produkten. Diese unterliegen drei Bedingungen. Der morgendliche Kaffee muss erstens entwaldungsfrei sein. Das bedeutet, er darf nicht auf Flächen produziert worden sein, die nach dem Stichtag des 31.12.2020 gerodet oder anderweitig landwirtschaftlich nutzbar gemacht wurden. Zweitens muss er unter Einhaltung der relevanten Gesetze des Erzeugerlandes produziert worden sein. Und drittens muss für den Kaffee eine Erklärung über die Einhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten eingereicht werden.
Um diese Pflichten zu erfüllen, müssen Marktteilnehmer und Händler einen ganzen Kanon an Informationen liefern. Dazu zählt beispielsweise die Angabe der Koordinaten der Parzelle, auf welcher der Kaffeestrauch steht. Die Verordnung reduziert das Maß an Pflichten, wenn der Kaffee aus einem Land mit geringem Entwaldungsrisiko stammt und sich dessen auch nochmal sorgfältig vergewissert wurde. Die Kommission entscheidet bis Mitte 2025, welche Länder dazu gehören. Dabei werden vermutlich deutschen und brasilianischen Wäldern unterschiedliche Gefährdungsstufen zugesprochen.
Wäre die Entwaldungsverordnung bereits Ende 2024 anwendbar gewesen, hätte sich die EU-Kommission entweder sehr mit begleitenden Informationen sputen müssen – oder aber eine Menge Unklarheiten riskiert. Daher forderten neben Unternehmen auch Regierungsvertreter und selbst so manche Umweltorganisation von der EU eine Verschiebung. Neben solcher Kritik an der handwerklichen Umsetzung der Verordnung schallt es aber auch Fundamentalopposition in den Wald hinein: Die Verordnung lege den Fokus zu stark auf die Legalität und packe Probleme wie Armut und Korruption nicht an der Wurzel. Zudem können manche Kleinbauern die geforderten Informationen schlicht nicht bereitstellen. Sie wären dann vom EU-Markt ausgeschlossen.
Die Brüsseler Institutionen haben die Klagen im Herbst 2024 vernommen. Allen voran beschlossen sie, den Anwendungsbeginn der wesentlichen Pflichten der Verordnung per Eilverfahren um ein Jahr auf den 30. Dezember 2025 zu verschieben. Das ist ein bemerkenswerter Vorgang, denn die Brüsseler Institutionen mussten dafür das gesamte Verordnungspaket noch einmal aufschnüren. Dadurch wären auch inhaltliche Änderungen möglich gewesen, welche die neue Mehrheit von Mitte-rechts bis Rechtsaußen im Europaparlament forderte. Der Vorstoß zur Einführung einer Kategorie für Erzeugerländer „ohne Entwaldungsrisiko“ scheiterte jedoch. Diese Kategorie hätte Ausnahmen von vielen Regeln der Entwaldungsverordnung bedeutet. In den Verhandlungen zwischen Parlament und Rat Anfang Dezember einigten sich die Beteiligten nicht auf inhaltliche Anpassungen – es blieb nur bei einer Verschiebung.
So startet die Europäische Union noch ohne anwendbare Entwaldungsregeln in das Jahr 2025. Unternehmen und Händler müssen die Regeln zum Schutz der globalen Wälder erst zum Ende des Jahres befolgen. Bis dahin könnte die neue Kommission die Vorgaben zu Lieferketten und Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits abgeschwächt haben.