Erben sind oft unglücklich

Politik

Über geerbtes Vermögen sprechen viele Menschen nur ungern. Die Journalistin Julia Friedrichs gab sich damit nicht zufrieden. Das Thema hat eine erhebliche Relevanz, findet die Autorin. Denn die Nachkriegsgeneration wird im kommenden Jahrzehnt die unvorstellbare Summe von 2,5 Billionen Euro vererben. Viele Fragen schwirrten ihr im Kopf herum: Wie verändert sich das Land dadurch? Warum gibt es kaum Debatten über Ungleichheit? Wäre eine Erbengesellschaft nicht grundsätzlich ungerecht, undemokratisch und unmodern?

Wie Erbschaften Menschen bewegen

Auf der Suche nach Antworten stellt Friedrichs Erben vor, spricht mit Politikern und Wissenschaftlern, liefert Zahlen und Fakten und zeigt, dass der Nachlass Erben in vielen Fällen belastet. Sie macht deutlich, was Erben wirklich über das Vermächtnis denken und welche Schwierigkeiten ihnen im Umgang damit begegnen. In 15 Kapiteln werden unterschiedliche Fälle und die Beziehungen zum Geld der Erben beleuchtet. Gesprochen hat die Autorin zum Beispiel mit Lars, einem 41-jährigen Komponisten. Unter einem Pseudonym erzählt er, warum er sich für sein Erbe schämt, es aber dennoch braucht. Beate, ebenfalls anonymisiert, erbte von ihren Eltern eine halbe Million Euro und rührt es seit 22 Jahren nicht an. Ein Fall, in denen potenzielle Erben leer ausgehen: Götz Werner, der Gründer der Drogeriemarktkette dm vererbt seinen Kindern nichts. Er ist der Meinung, dass sie  ein eigenständiges und kein vorbestimmtes Leben führen sollen. Über die Fallbeispiele hinaus vergleicht Friedrichs steuerpolitische Gegebenheiten und Reglementierungen in anderen Ländern und hinterfragt, wie gerecht das deutsche Erbschaftsrecht ist.

Fazit

Julia Friedrichs Ausdauer hat sich ausgezahlt. Durch einen klaren Aufbau und Schreibstil ergeben sich interessante Porträts. Es ist ein gut recherchiertes und anschauliches Buch, das durchweg auf einen Trend hin zu einer Erbengesellschaft hinweist und dennoch wohl nur zu Debatten in Wohnzimmern anregen dürfte. Das liegt weniger an ihrem fehlenden Engagement als vielmehr an der Tatsache, dass das Thema Erbschaft sensibel ist und bleibt – auch in der Politik.

Julia Friedrichs: Wir Erben – Was Geld mit Menschen macht. Berlin 2015, 319 Seiten