Deep-Dive ins Wahlprogramm – Teil 1: Wirtschaft, Steuern und Finanzen

Analyse

Als dieser Artikel geschrieben wurde, waren noch nicht alle Wahlprogramme der Parteien von Wahlparteitagen final verabschiedet. Es gilt der jeweils veröffentlichte Entwurf.

 

„No taxation without representation”, riefen die Rebellen der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung. Heute müsste man vielleicht eher konstatieren: „No representation without taxation”, und so muss eine ökonomische Betrachtung der Wahlprogramme der der derzeit im Bundestag vertretenen Parteien zur Bundestagswahl 2025 mit der Steuerpolitik beginnen.

 

CDU/CSU

Die Union spricht von „erdrückender Steuerlast” und vom Hochsteuerland” Deutschland und will dementsprechend ausschließlich Steuern senken. Steuererhöhungen hingegen soll es keine geben, auch nicht zur Gegenfinanzierung. Die Union wird recht konkret: schrittweise Entlastung im unteren und mittleren Bereich des Einkommensteuertarifs, wobei der Spitzensteuersatz erst ab 80.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen greifen soll, ab und zu ein Inflationsausgleich, vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, Erhöhung der Pendlerpauschale, Senkung der Unternehmenssteuern auf insgesamt 25 Prozent, Anhebung der Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer, bei der Erbschaftsteuer und für Kinder bei der Einkommensteuer, Senkung der Stromsteuer (und der Netzentgelte), Abzugsfähigkeit energetischer Sanierungen bei der Erbschaftsteuer, sowie die abermalige Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und die Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen.

Insgesamt würde dieses Programms bei vollständiger Umsetzung die Bürger deutlich entlasten und dürfte einen Wachstumsschub auslösen, auch wenn die Entlastung am stärksten in der oberen Mitte erfolgen würde. Schon aus steuersystematischen Gründen ist die Abschaffung des Solidaritätszuschlags nach über dreißig Jahren deutscher Einheit sinnvoll, allerdings könnte man zum Ausgleich auch die Besteuerung von Spitzeneinkommen in der Einkommensteuer erhöhen. Diesen Weg geht die Union nicht; eine politische Entscheidung. Man würde sich wünschen, dass die an sich richtige Inflationsanpassung des Einkommensteuertarifs noch stärker automatisiert würde und nicht nur als politische Absichtserklärung erfolgte, damit die Bürgerinnen und Bürger auch wirklich etwas davon haben, wenn sie sich einen Inflationsausgleich bei ihren Löhnen und Gehältern erstritten haben; Stichwort: Tarif auf Rädern.

Ansonsten will die Union mit ihren steuerpolitischen Vorstellungen durchaus auch steuern: Die Erhöhung der Pendlerpauschale kann als eine Subvention ins Umland der Städte interpretiert werden, einerseits um Überfüllung in den Innenstädten abzumildern, was man aber auch anderweitig durch Bauen in die Höhe erreichen könnte, andererseits nimmt man dadurch eine stärkere Zersiedlung des Umlandes in Kauf. Die erhöhten Freibeträge in der Erbschaftsteuer sollen zwar Wohneigentum klimaverträglich fördern, stehen aber einer dringend notwendigen Reform der Erbschaftsteuer hin zu weniger Ausnahmen entgegen. Die Ziele könnten auch anders erreicht werden, zum Beispiel durch die angestrebte Senkung der Grunderwerbsteuer.

Problematisch sind die reduzierte Gastrosteuer und die Steuerbefreiung von Überstundenzuschlägen: Hier handelt es sich um eher unsystematische neue Steuersubventionen, die nicht so recht zu einer Partei mit ordnungspolitischem Anspruch passen wollen. Schließlich ist die Senkung der Unternehmenssteuer aus Sicht der Probleme des Wirtschaftsstandorts zu beurteilen: Sie macht Sinn, wenn man als primäres Problem die Standortentscheidung von Unternehmern ansieht, die bei einer höheren Steuerbelastung ins Ausland abwandern oder gar nicht erst in Deutschland investieren. Als Instrument zur Investitionsförderung ist sie aber sehr teuer, weil sehr pauschal, denn natürlich können die Unternehmer mit den höheren Gewinnen, statt zu investieren auch konsumieren, also sich zum Beispiel noch eine Jacht kaufen. Dies wird beim Modell der politischen Konkurrenz mit einer Investitionsprämie vermieden.

 

SPD

Auch die SPD will den Tarifverlauf der Einkommensteuer im unteren und mittleren Bereich absenken, allerdings ohne Entlastungen für hohe Einkommen. Das Entlastungsvolumen für die Bürger ist deutlich geringer als das bei der Union. Wie auch bei der Union sollen die Stromsteuer und Netzentgelte gesenkt werden, um die Energiekosten für Unternehmen und private Haushalte zu reduzieren. Investitionen will die SPD direkter mit einer Investitionsprämie fördern. Auf der Steuersenkungsseite steht schließlich die Senkung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel von 7 Prozent auf 5 Prozent hinzu. Die Idee dahinter: Menschen mit geringem Einkommen geben prozentual besonders viel für Lebensmittel aus, weshalb sie von dieser Maßnahme besonders profitieren. Das stimmt zwar, aber erstens auch nur prozentual (denn einkommensstärkere Haushalte geben absolut mehr für Lebensmittel aus), und zweitens ist eine solche Entlastung unterer Einkommensgruppen durch eine Verbilligung der von ihnen besonders nachgefragten Güter sehr indirekt und eben teuer, denn, wie gesagt, auch Reiche essen und trinken. Wo die Union bei der allgemeinen Senkung der Unternehmenssteuern ein wenig mit der Gießkanne arbeitet, macht das die SPD bei der Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Umverteilung geht viel direkter über die Einkommensteuer; und selbst dann, wenn man im heutigen System gar keine Einkommensteuer zahlt, könnte der Staat in Form einer negativen Einkommensteuer noch etwas drauflegen.

Anders als die Union sieht die SPD auch klare, wenn auch relativ unausgegorene (potentielle) Steuererhöhungen vor: Die Kapitalertragsteuer soll wieder in die Einkommensteuer integriert werden (sinnvoll, um alle Einkommensarten gleich zu besteuern; allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass Kapitalerträge schon heute relativ hoch besteuert werden, einerseits durch Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer auf der Unternehmensebene und dann noch einmal durch die Kapitalertragsteuer, so dass das zusätzliche Nettosteueraufkommen dieser Reform eher gering ausfallen dürfte), die Erbschaftsteuer soll insbesondere für Betriebsvermögen erhöht werden (hier würde sich der Ökonom zunächst eine Vereinheitlichung wünschen), die Vermögensteuer soll wieder in Kraft gesetzt werden (sinnvoll vor allem für sehr hohe Vermögen, wenn man einen korrosiven Effekt dieser auf die Demokratie und das politische System befürchtet) und eine Finanztransaktionssteuer soll eingeführt werden. Sinnvoll wäre vor allem die geplante Abschaffung der Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen aus nicht selbst genutztem Wohneigentum nach zehn Jahren, da es ich bei solchen Veräußerungsgewinnen um Einkommen handelt, das schon aus steuersystemtatischen Gründen selbstverständlich der Einkommensteuer unterliegen sollte.

 

Bündnis 90 / Die Grünen

Die Steuerpläne von Bündnis 90 / Die Grünen sind denen der SPD sehr ähnlich ohne die Reform der Kapitalertragsbesteuerung, die Finanztransaktionssteuer und die Senkung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel. Stattdessen wollen die Grünen die Bürger schnell mit einem Klimageld aus der CO₂-Bepreisung von Gebäudewärme und Verkehr entlasten. Und den Solidaritätszuschlag wollen die Grünen in der Tat in den Einkommensteuertarif integrieren.

 

FDP

Das steuerpolitische Programm der FDP ist letztlich dem der Union sehr ähnlich, aber turbogeladen: So soll der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer erst ab 96.600 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen greifen. Und die Kfz-Steuer soll mittelfristig ganz abgeschafft werden. Leider will auch die FDP eine gesonderte reduzierte Gastromehrwertsteuer. Ein interessantes Detail für steuerpolitische Feinschmecker ist der (durchaus sinnvolle) Plan der FDP, durch die Abzugsfähigkeit kalkulatorischer Zinsen auf das eingesetzte Eigenkapital das Eigenkapital steuerlich dem Fremdkapital anzunähern.

 

AfD

Die AfD hat das radikalste Steuersenkungsprogramm aller Parteien im Bundestag: Zusätzlich zu den Senkungsplänen von Union und FDP sollen die Erbschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Grundsteuer, alle CO₂-Abgaben (nicht sinnvoll, da sie eine negative Externalität bepreisen) sowie die Grunderwerbsteuer für EU-Bürger abgeschafft, die für Nicht-EU-Bürger sogar erhöht werden. Im Sinne der Familienförderung plant die AfD eine weitere Mehrwertsteuerausnahme, nämlich den ermäßigten Satz von 7 Prozent für täglichen Kinderbedarf. Auch dies ist keine sinnvolle Maßnahme der Familienförderung, da auch zu sehr nach dem Gießkannenprinzip. Steuersystematisch und familienpolitisch sinnvoller ist die von der AfD vorgeschlagene Einführung eines Familiensplittings, das das Ehegattensplitting um Kinder erweitern würde. Interessant ist auch die vollständige Umsatzsteuerbefreiung für freiberufliche Musiker, Künstler und Pädagogen, und zwar mit dem Argument der Steuervereinfachung.

 

BSW

Auch das BSW schlägt netto ein sehr starkes Steuerentlastungsprogramm vor, das aber im Detail interessant ist, weil es sehr schön die Unverortbarkeit des BSW im traditionellen Links-Rechts-Spektrum zeigt: Große Tarifreform in der Einkommensteuer, vor allem durch Anhebung des Einkommens, ab dem der Spitzensteuersatz greift, auf „sehr hohe Einkommen“ (eine konkretere Zahl war nicht zu finden), Senkung der Netzentgelte, Mehrwertsteuersatz von 0 Prozent auf Grundnahrungsmittel, wobei Fleisch explizit genannt wird – keine sinnvolle, weil wie gesagt zu teure Lösung zur Bekämpfung von Armut –, Abschaffung von CO₂-Abgaben, was den Ausstieg aus einer sinnvollen marktwirtschaftlichen Lösung des Klimawandelproblems bedeuten würde, sowie der Grunderwerbsteuer auf selbstgenutztes Wohneigentum. Anders als bei den sehr großen Nettoentlastungsprogrammen von Union, FDP und AfD sieht das BSW allerdings auch größere Steuererhöhungen vor: Wie bei der SPD soll die Kapitalertragsteuer wieder in die Einkommensteuer integriert werden, vor allem aber soll die Vermögensteuer für Vermögen ab 25 Millionen Euro wieder in Kraft gesetzt werden, mit einem Steuersatz von 1 Prozent und dann ansteigend auf 3 Prozent. Diese Maßnahme kann wie gesagt sinnvoll sein, wenn man die Ausweich- und Umgehungsmöglichkeiten heute besser in den Griff zu bekommen glaubt und sich vor allem um die demokratiekorrodierende Wirkung hoher Vermögen sorgt.

 

Die Linke

Schließlich zur Steuerpolitik der Partei Die Linke: Im Gegensatz zu allen anderen Parteien sieht das steuerpolitische Programm der Linken massive Nettobelastungen vor. Zwar sieht auch die Linke Bruttoentlastungen vor, zum Beispiel bei der Einkommensteuer im unteren Bereich, durch eine Senkung der Stromsteuer (hier gibt es einen breiten Konsens aller Parteien), durch ein Klimageld und durch einen Mehrwertsteuersatz von 0 Prozent auf Grundnahrungsmittel, Hygieneartikel sowie Busse und Bahnen, wobei Preiskontrollen gesetzlich verhindern sollen, dass Unternehmen ihre Gewinne erhöhen, sowie durch reduzierte Mehrwertsteuersätze auf Dienstleistungen des arbeitsintensiven Handwerks, Arzneimittel und Produkte für Kinder ähnlich wie bei der AfD; diesen stehen aber auch massive Belastungen in anderen Bereichen mit starken Umverteilungseffekten von oben nach unten gegenüber: Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer auf 53 Prozent ab 81.000 Euro, der dann noch einmal, als Reichensteuer bezeichnet, auf 75 Prozent ab 1 Million Euro zu versteuerndem Einkommen ansteigt, kombiniert mit einem angeblich vorübergehenden Energie-Soli für Reiche als Aufschlag auf die Einkommensteuer, Besteuerung von Flugreisen mit dem vollen Mehrwertsteuersatz (sehr sinnvoll), Einführung einer Vielfliegersteuer von 200 Euro ab dem fünften Flug, Erhöhung der Kfz-Steuer für große und schwere Autos, Erhöhung des Körperschaftssteuersatzes von 15 auf 25 Prozent, Erweiterung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer für Vermieter und Selbständige, eine Übergewinnsteuer für Unternehmen mit einem fast konfiskatorischen Steuersatz von 90 Prozent, eine Finanztransaktionssteuer mit einem Satz von 0,1 Prozent, eine etwas unspezifisch beschriebene Erhöhung der Erbschaftsteuer und schließlich eine umso klarer und konkreter beschriebene Wiedererhebung und kräftige Erhöhung der Vermögensteuer mit einem Steuersatz von 1 Prozent ab 1 Million Euro Vermögen, der dann auf 5 Prozent ab 50 Millionen steigt, und in einer Milliardärssteuer von 12 Prozent endet. Das steuerpolitische Programm der Linken ist in der Tat verteilungs- und demokratiepolitisch sehr ambitioniert, aber es ist kein Wachstumsprogramm.

 

Gesamtbetrachtung

Diese steuerpolitischen Vorhaben, mit Ausnahme der Vorhaben der Linkspartei, müssen natürlich gegenfinanziert werden. Dies ist prinzipiell möglich durch Selbstfinanzierung durch höheres Wirtschaftswachstum, durch Ausgabenkürzungen und durch höhere Schuldenaufnahme. Nur bei letzterem werden die Wahlprogramme einigermaßen konkret und der alte Rechts-Links-Gegensatz sichtbar: Union, FDP und AfD sind strikt gegen eine Reform der Schuldenbremse, stehen zu den Maastricht-Kriterien und lehnen jede Form einer gemeinschaftlichen europäischen Schuldenaufnahme ab. SPD, Grüne, BSW und die Linke sind dagegen alle für eine Ausnahme von Investitionen bei der Berechnung der Schuldenbremse, also letztlich für eine Rückkehr zur Goldenen Regel. Die SPD fordert zusätzlich noch eine Neuberechnung der Konjunkturkomponente. Aus ökonomischer Sicht sind alle diese Ideen unzureichend, weil sie die Rolle der Staatsverschuldung nicht ausreichend berücksichtigen. Die Goldene Regel hat letztlich nicht wirklich funktioniert, da erstens der Investitionsbegriff politisch manipulierbar ist und zweitens auch eine Goldene Regel nicht garantiert, dass der Staat tatsächlich investiert. Eine Reform der Schuldenbremse müsste mindestens drei Dinge berücksichtigen: (i) eine langsamere und schrittweise Wiedereinführung der Defizitbeschränkungen nach Krisen, damit sich die Wirtschaftsakteure besser anpassen können; (ii) eine Berücksichtigung der Schuldentragfähigkeit, indem man das erlaubte Defizit von den langfristigen Marktzinsen oder der Schuldenstandsquote abhängig macht; und (iii) die Möglichkeit, mit einfacher Kanzlermehrheit einmal pro Legislaturperiode ein eng zweckgebundenes Sondervermögens in Höhe von bis zu 150 Milliarden Euro einzurichten.

Insgesamt ist aus ökonomischer Sicht festzustellen, dass die finanzpolitischen Programme von Union, FDP, AfD und BSW selbst bei optimistischer Einschätzung der ausgelösten Wachstumseffekte und bezüglich der Einsparmöglichkeiten auf der Ausgabenseite nicht realistisch sind. Lediglich von den Programmen der SPD und den Grünen kann dies mit etwas Optimismus gesagt werden. Und das auch nur dann, wenn man die sicherlich notwendigen deutlich höheren Verteidigungsausgaben nicht mitberücksichtigt, die zur Sicherung von Werten und Investitionen in Deutschland und Europa notwendig werden. Wie diese höheren Verteidigungsausgaben finanziert werden sollen, darauf gibt keine Partei in ihren Wahlprogrammen eine Antwort.

Die Wahlprogramme der Parteien im ökonomischen Teil des Bereiches Arbeit und Soziales sind deutlich dünner als ihre steuerpolitischen Vorstellungen. Beim Mindestlohn, der eigentlich und richtigerweise von einer unabhängigen Kommission festgelegt werden sollte, haben SPD, Grüne, das BSW und Die Linke allerdings sehr konkrete Vorstellungen: 15 Euro pro Stunde. Union, FDP und AfD äußern sich entweder gar nicht oder nur sehr allgemein zum Mindestlohn. Die Union will das Bürgergeld zugunsten einer Grundsicherung abschaffen, in der auch vollständige Leistungskürzungen möglich sein sollen, die FDP will eine nicht näher spezifizierte Reform. Bei der Rente plant die Union eine sogenannte Aktivrente, das heißt Steuerfreiheit für ein Einkommen bis zu 2.000 Euro monatlich, die auch nach dem gesetzlichen Renteneintrittsalter erzielt werden. Dies ist ein ökonomisch sehr sinnvoller Vorschlag, da er das Arbeitsangebot und damit nicht nur das Bruttoinlandsprodukt, sondern auch die Gesamteinnahmen des Staates erhöhen dürfte. Dieser Vorschlag ist nicht zu verwechseln mit einem Vorschlag des BSW, die ersten 2.000 Euro pro

Monat Rente von der Einkommensteuer zu befreien. Insgesamt sind die Parteien erstaunlich ambitionslos (Union mit Ausnahme der Aktivrente, SPD und Grüne) bis unrealistisch (AfD, BSW und die Linke), was deren Forderungen nach deutlichen Rentenerhöhungen angeht. Bei konstanten Rentenbeiträgen, stabilem Renteneintrittsalter und stabilem Rentenniveau geht die Rechnung nur mit höheren Steuerzuschüssen auf (die aber nur die Steuerpolitik der Linken überhaupt erlaubt) oder durch eine tiefergreifende Reform, wie sie die FDP mit den Stichworten „individuelle Aktienrente“ und „flexibler Renteneintritt“ allerdings nur andeutet. Noch weniger Konkretes ist zur künftigen Finanzierung der Krankenkassen zu lesen, außer den üblichen sehr vagen Bekenntnissen zum Status quo (Union und FDP) oder dem Umbau zu einer Bürgerversicherung, in die alle mit allen Einkommen einzahlen sollen. Schließlich wird die so wichtige Reform der Transferentzugsraten, also der Tatsache, dass gerade bei Arbeitsaufnahme im Niedriglohnbereich eine enorm hohe Grenzbesteuerung besteht, die diese Arbeitsaufnahme unrentabel macht, nur von der Union abstrakt als zu lösendes Problem angesprochen. Keine andere Partei hat das Wort „Transferentzugsrate“ in ihrem Wahlprogramm, was angesichts der vorliegenden Vorschläge aus der Wissenschaft zu diesem Thema enttäuscht. Lediglich das BSW macht einen interessanten Vorschlag, der das Problem zumindest teilweise adressieren könnte: Analog zur Einkommensteuer soll auch bei den Sozialversicherungsbeiträgen ein Grundfreibetrag eingeführt werden, der durch Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen finanziert werden soll. Wie das genau funktionieren soll, bleibt allerdings unklar, denn höheren Beiträgen müssten ja auch höhere Rentenzahlungen entsprechen.

Zum Schluss Europa: Die AfD will aus dem Euro aussteigen, was mit enormen wirtschaftlichen Kosten für Deutschland verbunden wäre. Das BSW lehnt weitere Integrationsschritte ab. Lediglich bei Union, SPD, den Grünen und bei der FDP findet sich ein vages Bekenntnis zur Vollendung der Kapitalmarkt- und Bankenunion in der EU. Auch hier hätte man sich mehr Ehrgeiz gewünscht, denn eines der großen Hemmnisse für Startups in der EU im Vergleich zu den USA ist nach wie vor die geringere effektive Marktgröße, und zwar nicht nur auf der Finanzierungsseite, sondern auch auf der Seite des Kunden- und Verbraucherschutzes, der in der EU eben auch nicht einheitlich geregelt ist. Ein großes, unterschätztes Wachstumshindernis.