Das Duell der Rechtsanwälte

Rhetorik

Die Frage des Sonntagabends: Und? Wie war das Duell? Wer hat gewonnen? Naja… so eindeutig und einfach ist die Antwort dann doch nicht.

Versuchen wir es mal so: Das Duell war zunächst ungefähr so spannend, als wenn man zwei Rechtsanwälte in einen Raum sperrt und von zwei gestrengen Lehrerinnen 30 Jahre später noch mal das zweite Staatsexamen abnehmen lässt. Mit dem Ergebnis: Den juristischen Fachmann freut’s. Der Laie bleibt verwundert zurück. Hä? Was haben die gesagt?

Das Grundproblem von Olaf Scholz beginnt schon lange vor dem Duell. Wer drei Jahre Kanzler ist, sollte mit der klaren Positionierung in diesen Kampf ziehen : Sie kennen mich!

Aber wer kennt schon Olaf Scholz? Das hat er selbst zu verantworten, weil er in den vergangenen Jahren kaum richtig kommuniziert hat.

Es ist schon ein Treppenwitz der politischen Geschichte, dass zumindest die Zuschauer ab der mittleren Generation das Gefühl haben, sie kennen Friedrich Merz deutlich besser. Irgendwie genauso haben wir ihn früher schon erlebt. Und irgendwie hat er sich auch nicht verändert. Punkt für Merz.

Schönen Dank

Wer sich wie Olaf Scholz drei Jahre nicht erklärt, der gerät in einem solchen Show-down schnell in die rhetorische Defensive. Hinzu kommt, dass er sich in der ersten Hälfte auch immer wieder bei Friedrich Merz bedankt. Ihn sogar als „honorig“ bezeichnet. Und höflich bei den Moderatoren um das Wort bittet. Dürfte ich mal? Könnte ich mal?

Offenbar ist er ein feiner Mensch mit Manieren. Aber im Duell braucht es eben auch bisweilen den sorgsam ausgeführten rhetorischen Stich.

Den ließ Olaf Scholz über weite Strecken vermissen. Immer wieder fällt er in die Verteidigungshaltung und muss erklären, was er in den vergangenen drei Jahren alles getan hat. Das lässt ihn schwächer wirken als Merz. Punkt für Merz.

Rhetorische Dolchstöße

Friedrich Merz hingegen hatte sich den Köcher vollgestopft. Mit starken Geschichten aus der Lebenswirklichkeit der Menschen, mit bunten Metaphern, mit treffenden Bildern. Irgendwie hatte man das Gefühl, Friedrich Merz war etwas besser vorbereitet. Oder konnte seine Vorbereitung zumindest besser abrufen. Und er hatte keine Skrupel, immer wieder zuzustoßen. Und Scholz für alles Mögliche verantwortlich zu machen. Das wirkt in einem solchen Duell. Punkt für Merz für mannigfache und präzise gesetzte rhetorische Dolchstöße.

In Zeiten, in denen die Menschen Leadership erwarten, bediente sich Olaf Scholz in der Summe einer viel zu sanften Rhetorik. Man hatte den Eindruck, er hatte einfach keine Lust auf ein Duell. Man hatte den Eindruck, ein Duell in diesem Sinne ist auch einfach unter seinem Niveau. Ein wahrer Hanseat prügelt sich nicht. Der Raufbold aus dem Sauerland schon.

Haltungsduell

Wenn man solch intellektuelle Sanftheit mag, dann war Scholz am Ende der deutlich sympathischere der beiden Duellanten. Punkt für Scholz.

Die Zuschauer haben nach 90 Minuten weniger ein rhetorisches Duell gesehen, sondern vielmehr ein Haltungsduell. Da haben zwei verschiedene politische Ideen um die Gunst der Zuschauer gerungen. Weil zwei Rechtsanwälte die Ideen vortrugen, konnte man ein Grundmaß an Rhetorik und Dialektik voraussetzen.

Scholz konnte an diesem Abend sicher keine absoluten Merz-Fans für sich gewinnen. Und Merz eher keine Scholz-Anhänger zu sich rüber ziehen.

Führung gesucht

Aber sollten Wechselwähler im Sturm der derzeit allfälligen und meist unversöhnlichen politischen Diskussionen noch veritable und vor allem demokratische Alternativen gesucht haben – in diesem Duell wurden sie geboten. Merz war deutlich kämpferischer und vor allem klarer und verständlicher. Scholz verharrte in einer selbstverschuldeten Defensive und wirkte irgendwie sympathischer.

Ich fürchte, in diesem Wahlkampf, der außerhalb dieses Duells mehr denn je mit rhetorischen Body-Checks arbeitet, gibt’s für Sympathie keine Punkte. Die Wähler wollen Führung. Auch mit der Macht des gesprochenen Wortes. Und dieser Punkt geht an Friedrich Merz.