Neben der Landtagswahl in Brandenburg blicken wir derzeit vor allem auf den US-Wahlkampf. Zugegeben, das Rennen ums Weiße Haus bleibt spannend und ist auch aus deutscher Sicht „weird“. Doch neben diesen medienwirksamen Schauplätzen lohnt es für Interessenvertreter schon jetzt, sich mit den deutschen Parteien zu befassen: denn die loten jetzt aus, mit den welchen politischen Vorstelleungen sie in die nächste Bundestagswahl gehen.
Wer rechtzeitig plant, hat bessere Chancen, seine Positionen im Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung wiederzufinden. Denn die Wahlprogramme definieren die Haltung der Parteien für mögliche Koalitionsverhandlungen. So fließen Passagen und Wordings der Wahlprogramme oftmals in den Koalitionsvertrag – um dann von der Regierung nach und nach in der Legislatur abgearbeitet zu werden.
Die vergangenen Koalitionsverhandlungen haben deutlich gezeigt, dass selbst im Entstehungsprozess des Regierungsprogramms dann kaum noch Möglichkeiten der Einflussnahme bestehen. Daher sind die Wahlprogramme ein zentraler Baustein der Einflussnahme. Aus diesem Grund sind sie auch bewusst spitz formuliert, um Raum für Kompromisse zu schaffen.
Same procedure as every term
Die Parteien starten jetzt ihre internen Prozesse zur Entwicklung der Wahlprogramme – dabei läuft der Prozess grundsätzlich bei allen Parteien etwa gleich ab:
Phase 1: Zunächst wird eine Wahlprogramm-Kommission gebildet, meist geleitet vom Generalsekretär. Sie hat die Aufgabe, sich parteiintern für die einzelnen Politikfelder mit den Landes-, Bundes-, Europa- und Fachpolitikern auszutauschen, um die entsprechenden Textblöcke zu erarbeiten. In dieser Phase ergeben sich vielfältige Optionen, frühzeitig die eigenen Positionen bei den entsprechenden Verantwortlichen einzubringen. Das können Fachpolitiker aus den Bundestagsausschüssen oder den Arbeitsgruppen der Parteien sein.
Darüber hinaus werden die verschiedenen Ebenen durch Vertreter auf Landes- oder EU-Ebene um Stellungnahmen gebeten. Dazu muss man die richtigen Ansprechpartner in Form eines Stakeholder Mappings identifizieren. Dafür sollte einen passenden Aufhänger in der richtigen Ansprache wählen und die Termine inhaltlich präzise vorbereiten. Es besteht hier auch die Möglichkeit, die Arbeitsgruppen anzusprechen und sich dort mit seiner Organisation/seinem Unternehmen vorzustellen.
Phase 2: Die Wahlprogramm-Kommission sammelt, strukturiert und arbeitet den Input zu den Politikfelden redaktionell aus. In mehreren Stufen wird der Programmtext dem Parteipräsidium und dann dem Parteivorstand vorgelegt. Dabei werden auch die Bundesfachausschüsse in die inhaltliche Ausarbeitung miteinbezogen.
Am Ende des Prozesses gibt der Parteivorstand das Programm als Leitantrag frei. Als finalen Schritt verabschiedent die Delegierten das Programm auf dem Bundesparteitag, der im Wahljahr meist im April oder Mai stattfindet.
In der zweiten Phase lohnt sich vor allem der Austausch mit Mitgliedern aus der Kommission oder des Parteipräsidiums und -vorstandes. Bei entscheidenden und wichtigen Positionen ist das die letzte Möglichkeit, noch Punkte zu ändern. Es gibt zwar noch das Instrument von Änderungsanträgen zum Programm auf den Parteitagen, aber in dieser Phase findet eine parteiinterne Eigendynamik statt, deren Willensbildungsmechanismen von außen kaum planbar und nicht steuerbar sind.
Phase 3: Spätestens nach Verabschiedung der Parteiprogramme veröffentlichen viele Verbände ihre sogenannten „Wahlprüfsteine“ und Positionen für die kommende Legislatur. Manche Verbände sind damit auch früher dran, um Einfluss auf die Parteiprogramme auszuüben.
Über ihre Verbandsmitgliedschaften und Mitarbeit in den Gremien sollten Organisationen sicherstellen, ihre Positionen frühzeitig einzubringen. Je nach Themenstellung kann das gut funktionieren – oder halt auch nicht: nämlich dann, wenn die Verbandspositionen durch die Breite der unterschiedlichen Interessen ihrer Mitglieder zu aufgeweicht sind – oder es erst gar nicht zu einer Kompromissposition kommt.
Hier ist es für Organisationen wichtig, zu bewerten und zu entscheiden, wie sie eigene Positionen neben den Verbänden an die politischen Entscheider herantragen. Zudem sollten sie ihre Positionen sehr konkret formulieren – eine nebulöse Willenserklärung schafft es sicherlich nicht in ein Wahlprogramm.
Erste Mannschaft steht
Mit der FDP hat sich die erste Partei für die Programmgebung aufgestellt. So wurde laut Beschluss des Bundesvorstands am 1. Juli eine 32-köpfige Programmkommission benannt. Geleitet wird das Gremium von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai – dem auch eine Redaktionsgruppe unterstellt ist. Das ist ein erster Ansatzpunkt zur Identifikation der inhaltlich richtigen Ansprechpartner.
Auch in den anderen Parteien bilden sich die Programm- und Redaktionsteams und fangen mit der inhaltlichen Arbeit an. Daher empfiehlt es sich, schon jetzt mit den Planungen zu starten. Denn am Ende gilt: Was zählt ist auf dem Blatt.