Der Wahlkampf findet längst nicht mehr nur auf Plakaten, im Fernsehen oder in Talkshows statt. Soziale Medien sind zu zentralen Bühnen der politischen Meinungsbildung geworden. Zusätzlich können Parteien gezielt über Google Ads werben.
Die Online-Agentur webnetz hat den digitalen Status quo der Parteien und Kanzlerkandidaten analysiert und in Rankings abgebildet. Ein Ergebnis: Die Grünen investieren stark in Google Ads, besonders auf YouTube. Die AfD erzielt hohe Reichweiten in sozialen Medien, schneidet aber bei der Sichtbarkeit in der Google-Suche schlecht ab. Warum das so ist, erklärt SEO-Experte Oliver Wieben.
Google-Sichtbarkeit: SPD vorne, AfD thematisch eingeschränkt
Mit einem Sichtbarkeitsindex von 2,52 erreicht die SPD derzeit die höchste Google-Sichtbarkeit. Auffällig: 75 Prozent der Sichtbarkeit aller Parteien entfällt auf mobile Geräte.
Oliver Wieben von webnetz über die schwache Google-Performance der AfD: „Die AfD generiert Klicks für ihre Website afd.de vor allem über aktuelle Nachrichten zum Thema Migration. Andere Parteien setzen auf ein breiteres Themenspektrum, das sich an ihren Wahlprogrammen orientiert. Beim Keyword ‚Rente‘ etwa taucht die AfD überhaupt nicht auf – Google spielt ihre Seite nicht aus. Stattdessen rankt sie mit Suchbegriffen wie ‚Schlägerei Berlin‘ auf Platz drei und nutzt dafür eigens erstellte Landingpages. Insgesamt setzt die AfD auf zugespitzte Themen, während es ihrer Website an inhaltlicher Tiefe fehlt. Die anderen Parteien punkten mit vielfältigeren gesellschaftlichen Themen.“
Google Ads: Grüne investieren am meisten
Google Ads erscheinen unter anderem in der Google-Suche, auf Google Maps und YouTube. Eine Auswertung über das Google Ads Transparency Center zeigt: Die Grünen setzen klare Prioritäten und investieren mit 376.000 Euro mehr als CDU, SPD und AfD zusammen. 97 Prozent der Anzeigen laufen auf YouTube. CDU (14.000 Euro) und SPD (37.000 Euro) geben deutlich weniger aus.
YouTube: AfD mit hoher Reichweite, Grüne emotionalisieren
Die AfD erzielt auf YouTube die höchsten Reichweiten. Mit 508.000 bzw. 315.000 Followern und 15,7 Millionen bzw. 3,1 Millionen Aufrufen übertrifft sie alle anderen Parteien deutlich. Doch Reichweite allein entscheidet nicht. Während die AfD vor allem auf kurze Videos setzt, um eine junge Zielgruppe zu erreichen, setzen die Grünen auf emotionale Inhalte.
TikTok: SPD legt rasant zu
Auf TikTok verschieben sich die Kräfteverhältnisse. Die AfD hat mit 534.000 Followern zwar die meisten Abonnenten, doch die SPD erzielt mit nur 41.000 Followern deutlich mehr Impressionen (11,3 Millionen).
Ein Grund: Die AfD konzentriert sich stärker auf den persönlichen Account von Alice Weidel (111 Posts) und weniger auf den Bundestagsfraktions-Account (36 Posts). Die Grünen liegen im Mittelfeld, während die CDU klar abfällt. Sie kommt auf 28.000 Follower und 7,8 Millionen Impressionen und belegt damit den letzten Platz unter den Partei-Accounts. Auch der gemeinsame Unionsfraktions-Account schneidet mit 28.000 Followern und 773.000 Impressionen schwach ab.
Beim Follower-Wachstum führt die SPD mit einem Plus von 263 Prozent. Dahinter folgen die Grünen (119 Prozent) und die CDU (115 Prozent). Die AfD, bereits zuvor reichweitenstark, wächst mit zehn Prozent am langsamsten.
Instagram: Grüne dominieren, CDU abgeschlagen
Zwischen Fraktions- und Partei-Accounts gibt es deutliche Unterschiede, unter anderem wegen der Posting-Frequenzen (353 vs. 651 Posts). Aussagekräftiger sind die Zahlen der Partei-Accounts.
Die Grünen führen mit 317.000 Followern und 2,2 Millionen Reaktionen. Die AfD erreicht mit 281.000 Followern und 1,3 Millionen Reaktionen ebenfalls hohe Werte. CDU und SPD bleiben deutlich zurück:
- CDU: 47.000 Follower & 40.000 Reaktionen auf dem Unionsfraktions-Account, 162.000 Follower & 580.000 Reaktionen auf dem Partei-Account
- SPD: 70.000 Follower & 157.000 Reaktionen auf dem Fraktions-Account, 137.000 Follower & 535.000 Reaktionen auf dem Partei-Account
Die Grünen dominieren, die CDU bleibt auf Instagram klar zurück.
Kanzlerkandidaten im Social-Media-Vergleich
Der offizielle Kanzler-Account auf Instagram, der jeweils an den Amtsinhaber übergeht, hat mit zwei Millionen Followern die größte Reichweite. Dahinter liefern sich Alice Weidel (440.000 Follower, 4,9 Millionen Reaktionen) und Robert Habeck (349.000 bzw. 571.000 Follower, 3,5 bzw. 1,3 Millionen Reaktionen) ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Olaf Scholz und Friedrich Merz spielen auf Instagram eine Nebenrolle.
TikTok: Weidel mit größter Reichweite
Auch auf TikTok erzielt Weidel die höchsten Werte. Mit 776.000 Followern und 47,8 Millionen Impressionen liegt sie deutlich vorn. Scholz folgt mit 433.000 Followern und 25 Millionen Impressionen auf Platz zwei. Merz und Habeck haben dort kaum Präsenz.
YouTube: Scholz ohne Strategie
Weidel führt das YouTube-Ranking mit 279.000 Abonnenten an. Habeck erreicht mit 65.000 Followern zwar deutlich weniger, kommt aber fast auf die gleiche Zahl an Videoaufrufen (9,4 Millionen bei Weidel, 8,5 Millionen bei Habeck). Merz ist mit zwei Accounts vertreten, erzielt aber nur geringe Reichweiten (12.000 bzw. 10 Follower, 383.000 bzw. 2.800 Aufrufe). Scholz ist auf YouTube kaum aktiv – sein letzter Upload liegt sechs Jahre zurück.
Der Wahlkampf nimmt bereits Fahrt auf. Nicht nur die mediale Debatte um „Weidel-Musk“ oder Merz’ Rede im Bundestag haben das gezeigt. Spannend bleibt, welche Strategien die Parteien und Kanzlerkandidaten in den letzten zwei Wochen vor der Bundestagswahl noch ausspielen.