Die Wahrheit ist eine heikle Sache – besonders, wenn sie unbequem ist. Studien zeigen, dass Menschen dazu neigen, Desinformationen dann zu glauben, wenn sie ins eigene Weltbild passen. Eine Untersuchung der Ohio State University belegt, dass Parteibias eine entscheidende Rolle spielt: Sowohl Konservative als auch Progressive glauben bevorzugt an Falschinformationen, die ihre politische Haltung bestätigen.
Doch die Studienlage deutet darauf hin, dass konservative Menschen häufiger an Desinformation glauben als Progressive. Woran liegt das? Sind konservative Wähler tatsächlich anfälliger für Desinformation – oder sind sie einfach gezielter im Visier von Kampagnen, die mit Falschmeldungen arbeiten?
Fake News verteilen sich ungleich
Zur Klarstellung: Es geht nicht darum, Konservative pauschal zu verurteilen, sondern darum, zu verstehen, warum Desinformation in bestimmten politischen Lagern besonders erfolgreich ist und welche Mechanismen dahinterstecken. Das Problem ist nicht, dass Konservative weniger kritisch denken, sondern eher, dass die Desinformationsflut genau auf sie zugeschnitten ist.
Eine Untersuchung der Ohio State University ergab, dass konservative Befragte doppelt so häufig falsche Behauptungen für wahr hielten wie progressive Teilnehmer. Hauptgrund war einerseits die Asymmetrie der Desinformationslandschaft: 46 Prozent der viralen Fake News begünstigten konservative Positionen, nur 23 Prozent die linke Seite. Noch drastischer: 97 Prozent der als falsch bewerteten Facebook-Links richteten sich an ein konservatives Publikum.
Ein Blick auf die politische Landschaft macht die Brisanz dieser Entwicklung erst recht deutlich. De AfD ist die zweitstärkste Kraft in Deutschland und trotz des klaren Wahlsieges der Union muss sich Friedrich Merz dank des Sondervermögens für Verteidigung die Frage gefallen lassen, ob er im Wahlkampf bewusst gelogen hat. Gleichzeitig feiert Donald Trump in den USA sein Comeback und in Argentinien regiert mit Javier Milei ein Präsident, der Fake News gezielt als politisches Werkzeug nutzt. Diese Liste lässt sich viel zu lange weiterführen.
In den USA dominieren seit 2016 Desinformationen mit pro-Trump- oder anti-demokratischen Inhalten die sozialen Medien. Dazu gehörten nicht nur erfundene Wahlbetrugsbehauptungen, sondern auch die bewusste Inszenierung der eigenen Anhängerschaft als Opfer eines „korrupten Systems“. Das Kalkül ist einfach: Je mehr Menschen glauben, dass Fakten relativ sind, desto leichter lassen sie sich politisch lenken.
Im Gespräch mit dem eigenen Echo
Ein weiteres Problem sind Echokammern. In sozialen Medien bewegen sich Konservative, aber auch Progressive zunehmend in getrennten Welten. Doch konservative Nutzer zeigen laut der Studienlage eine stärkere Abschottung. Während Liberale häufiger aus verschiedenen Quellen lesen, dominieren in vielen konservativen Communitys eher parteiische Medien. Das schafft eine Parallelrealität, in der Fake News weniger und im schlimmsten Fall sogar kaum hinterfragt werden.
Diese Entwicklung wird noch verstärkt durch die Abschaffung von Faktenchecks. X beendete die Zusammenarbeit mit Faktenprüfern, Youtube monetarisiert die Reichweiten von Fake-News-Portalen sogar und Meta gab ohnehin schwache Bemühungen mit der Begründung auf, jeder solle selbst entscheiden, was wahr ist. In der Praxis bedeutet das: Desinformation kursiert ungehindert.
Psychologie der Fehlinformation
Aber warum sind Konservative nun empfänglicher für Fake News in der eigenen Blase? Eine mögliche Erklärung liegt wohl in den psychologischen Unterschieden. Studien zeigen, dass sie ein höheres Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität haben. Fake News, die Ängste über den Verlust von Werten oder Kontrolle schüren, wirken deshalb besonders stark.
Forscher um den Psychologen John Jost fanden 2003 heraus, dass konservative Menschen tendenziell stärker an bestehenden Überzeugungen festhalten und widersprüchliche Fakten eher ausblenden. Eine aktuelle Untersuchung von Garrett & Bond zeigt, dass Konservative Fake News weniger hinterfragen, wenn diese ihre politischen Ansichten bestätigen – eine Tendenz, die durch einseitige Mediennutzung und Echokammern verstärkt wird.
Doch auch Progressive sind nicht immun. Studien zeigen, dass sie zwar besser darin sein können, Fakten von Fiktion zu trennen, aber unkritischer mit Nachrichten umgehen, die ihre Ideale bestätigen. Eine Analyse von van der Linden aus 2023 ergab, dass Liberale oft weniger kritisch prüfen, wenn eine Falschmeldung ihrer politischen Haltung entspricht. Das Muster bleibt dasselbe: Menschen glauben, was sie glauben wollen. Doch die Mechanismen dahinter unterscheiden sich – und genau das macht Desinformation so gefährlich.
Wie kann der vergiftete Diskurs geheilt werden?
Wenn eine Seite besonders oft mit Desinformation konfrontiert wird, entsteht ein verzerrtes Bild der Realität. Das Misstrauen gegenüber Medien, Wissenschaft und Institutionen, aber vor allem in gemeinsame Lösungen wächst – ein fruchtbarer Boden für Populisten.
Wie kann verhindert werden, dass Desinformation weiter Gräben zwischen politischen Lagern zieht? Nicht nur Konservative sind anfällig für Fake News – auch Progressive tappen in ideologische Fallen. Es wird also nichts bringen, mit dem Finger auf die jeweils andere Seite zu zeigen. Entscheidend ist, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.
Faktenchecks müssen wieder ernst genommen werden, auch wenn sie oder sogar vor allem, wenn sie der eigenen Meinung widersprechen. Wer mit einer unbequemen Wahrheit konfrontiert wird, sollte sich fragen, ob er eine Nachricht teilt, weil sie wahr ist oder weil sie ihm politisch gefällt. Medienkompetenz spielt dabei eine Schlüsselrolle. Kritisches Denken gegenüber politischen Informationen muss früh vermittelt werden – genauso selbstverständlich wie Mathe oder Geschichte.
Gleichzeitig braucht es mehr Austausch statt Abschottung. Wer sich nur mit Gleichgesinnten umgibt, verliert den Blick für andere Perspektiven. Das vertieft politische Gräben und macht es leichter, Falschinformationen unkritisch zu akzeptieren. Demokratie wurzelt im Streit, doch ihre Blüten trägt sie durch das Zuhören.