Der Ton ist rauer geworden. Nicht nur in der Stammkneipe, der Whatsapp-Gruppe oder am Frühstückstisch, sondern auch in der parteipolitischen Kommunikation. Täglich liest man Pressemitteilungen, Posts oder Interviews, die grundlegenden Respekt gegenüber dem politischen Konkurrenten vermissen lassen. Ein solcher Kommunikationsstil ist nicht nachhaltig. Und er kann schnell brandgefährlich werden, wenn zu viele ihn sich zu eigen machen. Er treibt eine Verrohung des öffentlichen Diskurses voran, die unserer Demokratie ernsthaft schadet.
Das haben mittlerweile nicht nur die großen Berufsverbände BdKom (Bundesverband der Kommunikatoren) und DPRG (Deutsche Public Relations Gesellschaft) erkannt und einen Aufruf zum Bundestagswahlkampf 2024/2025 veröffentlicht. Nein, auch die Parteien selbst haben sich zusammengetan und ein Fairnessabkommen beschlossen.
Was steckt drin?
Das Fairnessabkommen der Parteien wurde von der CDU, CSU, SPD, den Grünen, der FDP und der Linkspartei beschlossen und Ende letzten Jahres veröffentlicht. In den Abschnitten „Integrität von Botschaften, Absendern und Sprache“ sowie „Fairer digitaler Wahlkampf und Nutzung von KI-Tools“ werden konkrete Mittel der politischen Kommunikation definiert, die die Parteien im Wahlkampf nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen nutzen sollen. Auf persönliche Herabwürdigungen sollte ebenso verzichtet werden wie auf extremistische Äußerungen. Demokratische Parteien des Mitte-Rechts-Spektrums dürften unter keinen Umständen mit rechtsextremen Parteien gleichgesetzt und Desinformationen, ob bewusst oder unbewusst, nicht verbreitet werden. Aussagen Dritter sollten mit entsprechenden Quellenangaben versehen sein. Mit Blick auf die digitale Kommunikation sprechen sich die beteiligten Parteien für eine Kenntlichmachung der Arbeit mit KI-Systemen aus, auf Deep-Fake-Technologien soll gänzlich verzichtet werden. In jedem Fall sollen die Parteien als Absender politischer Botschaften ersichtlich sein.
Das Fairnessabkommen ist pragmatisch formuliert, indem es klare Handlungsanweisungen für einen begrenzten Zeitraum vorgibt. Dennoch bleibt es parteilich geprägt und berücksichtigt die spezifische Rolle politischer Kommunikatoren innerhalb der Parteien, die gleichzeitig als ihre Arbeitgeber fungieren, nur unzureichend.
Der Aufruf zum Bundestagswahlkampf des BdKom (Bundesverband der Kommunikatoren) und der DPRG (Deutsche Public Relations Gesellschaft) zum Bundestagswahlkampf 2024/25 hingegen formuliert ideelle Anforderungen an die politischen Kommunikatoren in Politik- und Kampagnenteams, an die Kandidierenden selbst, PR-Profis in Interessengruppen, Unternehmen und Verbände sowie Journalistinnen und Journalisten. In Bezug auf die Implikationen für die kommunikative Arbeit ist er zwar ungenauer formuliert als das Fairnessabkommen, stützt sich allerdings auf den Kommunikationskodex der DPRG – und weist den politischen Kommunikatoren damit eine demokratische Verantwortung zu.
Der Kommunikationskodex fordert PR- und Kommunikationsfachleute nicht nur zu einer Loyalität gegenüber ihren Arbeits- und Auftraggebern, sondern ebenso gegenüber ihrem Berufsstand auf. Verstöße gegen ethische Normen untergraben demnach die Arbeitsgrundlagen des Berufsstandes und schaden seinem Ansehen.
Politische Kommunikation als demokratische Verantwortung
Die Fairnesserklärung und der Kommunikationskodex der DPRG bilden zwei Enden eines Spektrums: Während die eine sich auf die nötigsten praktischen Implikationen während des Bundestagswahlkampfes beschränkt, beschreibt der andere ideelle Ansprüche an politische Kommunikatoren in aller Ausführlichkeit. Doch keines der beiden Dokumente deckt alle Bedürfnisse und Herausforderungen der parteipolitischen Kommunikation ab. Logisch, schließlich blicken wir auf einen Spezialfall, der Kommunikatoren mit ganz eigenen kommunikativen wie politischen Dynamiken konfrontiert.
Braucht es jetzt also einen Kommunikationskodex, der speziell auf parteipolitische Kommunikation zugeschnitten ist? Meiner Meinung nach: Nein. Es ist selbstverständlich, dass nicht alle Erklärungen, Aufrufe oder Kodexe jedes Tätigkeitsfeld vollständig abdecken können. Entscheidend ist jedoch das grundlegende Verständnis, dass parteipolitische Kommunikatoren eine demokratische Verantwortung tragen, die über ihre Loyalität zur Partei hinausgeht. Dieses Selbstverständnis fehlt meiner Erfahrung nach häufig.
Mehr noch: Parteipolitische Kommunikation wird häufig von Quereinsteigern betrieben und weist zahlreiche Überschneidungen mit anderen Tätigkeitsfeldern auf. Daher begreifen sich Akteure in diesem Bereich selten als zusammengehöriger Berufsstand, den etwas über Abteilungs- und Parteigrenzen hinweg verbindet.
Ein Kulturwandel ist nötig
Gefälschte KI-Bilder, die Verbreitung von Desinformationen und eine verrohende Diskurskultur sind nicht nur Symptome, sondern auch Treiber der aktuellen Herausforderungen in der (partei-)politischen Kommunikation. Gleichzeitig fördern technologische Umbrüche die Geschwindigkeit und Reichweite von Informationen – ob wahr oder falsch. Der Rechtsruck in Teilen der Gesellschaft verschärft diese Dynamiken zusätzlich.
In einer solchen Zeit ringen parteipolitische Kommunikatoren wie selten zuvor um öffentliche Aufmerksamkeit. Jetzt ist es entscheidend, über die Grenzen und demokratischen Verpflichtungen der eigenen Arbeit zu sprechen und einen Kulturwandel im eigenen Tätigkeitsfeld voranzutreiben. Ob dieser Wandel durch Erklärungen, Kodexe oder Abkommen angestoßen wird, ist dabei zweitrangig – entscheidend ist die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, die Demokratie zu stärken und den öffentlichen Diskurs zu schützen.