Letztens saß ich mit meinen Freundinnen nach der Arbeit in einer unserer Berliner Lieblingsbars rum. Es war kurz vor der parlamentarischen Sommerpause, die Urlaube waren schon gebucht und die Nerven durch die vergangenen Wochen ordentlich strapaziert. Der Abend wurde länger, die Namen der Cocktails ausgefallener und schließlich platzte es aus meiner Freundin heraus: „Was denken manche Chefs eigentlich, wer sie sind, dass sie nur nach oben netzwerken?“ So sehr mich die Schärfe ihrer Aussage zunächst verwundert hat, so interessant war die Diskussion, die daraufhin am Tisch ausbrach. Und es ist genau diese Frage, die mich seitdem nicht mehr losgelassen hat: Ja, was denkt ihr euch denn eigentlich?
Netzwerken ist eine Kunst für sich
Netzwerken will gelernt sein, beibringen tut’s einem aber niemand. Vor allem am Anfang der Karriere ist das frustrierend. Am liebsten hätte man ein Handbuch, das eine Schritt-für-Schritt-Anleitung dazu bietet, wann man sich wie mit wem zum Lunch zu verabreden hat und welche Themen man dabei besprechen sollte. Irgendwann erreicht man allerdings den Punkt, an dem man versteht, warum es so schwierig ist, pauschale Ratschläge zum Netzwerken zu geben.
Schließlich bezieht sich Netzwerken auf keine alleinstehende Fähigkeit, sondern ein Sammelsurium an Soft Skills, die schwer zu greifen, nur durch regelmäßige Übung zu erlernen und etwas Lebenserfahrung zu meistern sind. Es gibt allerdings einen Aspekt des Netzwerkens, der fernab jeglicher Soft Skills von entscheidender Bedeutung ist: die eigene Strategie. Und genau hier finde ich, dass viele Führungskräfte einen ganz entscheidenden Fehler machen.
Nicht nur die CEO ist wertvoll
Netzwerken impliziert, eigene Kontakte aufzubauen und zu pflegen, die helfen, Informationen auszutauschen oder dem beruflichen Fortschritt dienen. Der Ausbau eines Netzwerks muss demnach nicht ausschließlich „nach oben“ gedacht werden. Nicht nur die CEO kann für die eigenen Kontakte wertvoll sein – auch der Werkstudent hat wertvolle Insights zu bieten.
Eine Person kann diejenige sein, die in das nächste große Projekt investiert. Aber die andere Person diejenige, die Mitarbeiter anwirbt, die das große Projekt in die Tat umsetzen. Ausschließlich nach oben zu netzwerken birgt im Best-Case-Szenario also nur das Risiko, dass einem junge, interessante Kontakte entgehen. So weit, so unkontrovers. Ich gehe aber noch einen Schritt weiter und behaupte:
Netzwerken ist nicht nur, mit wem ihr sprecht, sondern auch, mit wem ihr nicht sprecht
Jede Führungskraft hat begrenzte Ressourcen. Umso wichtiger also, genau darauf zu achten, in wen man Zeit investiert – und in wen nicht. Nun formt ihr eure berufliche Reputation aber nicht nur durch die Menschen, mit denen ihr sprecht, sondern auch mit denjenigen, mit denen ihr euch nicht austauscht. Wir Young Professionals können davon ein Lied singen.
Wie häufig ist es uns schon passiert, dass wir uns auf ein Praktikum gefreut haben und am Ende von den Vorgesetzten nur als wandelnde Kaffeemaschine gesehen wurden? Oder die Momente auf Konferenzen, in denen wir uns endlich getraut haben, euch anzusprechen, ihr das Gespräch aber nach drei Minuten abwürgt? Die Konsequenz solches Verhaltens ist nicht nur, dass wir uns am Ende des Tages nicht vernetzt haben. Während ihr uns links liegen lasst, sprechen wir untereinander über euer Auftreten. Als Führungskräfte steht ihr im Rampenlicht. Dementsprechend intensiv tauschen wir uns darüber aus, wer uns wie begegnet. Kurzum: Ihr habt einen Ruf zu verlieren! Nicht nur auf Managementebene, sondern auch bei uns Nachwuchskräften.
Es könnte so viel mehr sein
Wieder zurück an unserem Tisch finden meine Freundinnen etliche Beispiele dazu, wie der Ruf so mancher Führungskräfte schon ihre beruflichen Entscheidungen beeinflusst hat. Eine Freundin berichtet, wie sie einen Bewerbungsprozess abgebrochen hat, nachdem sie erfuhr, dass der Agenturchef die Leistungen seiner Junioren als seine eigenen ausgab. Die andere erzählt, wie sie sich gar nicht erst auf eine Stelle beworben hatte, weil die potenzielle Vorgesetzte sie im Gesprächskreis der letzten Konferenz nicht eines Blickes gewürdigt hat.
Ich wiederum kann bei all diesen Erzählungen nur daran denken, was für ein Glück ich in Vergangenheit mit meinen Chefinnen und Chefs gehabt habe. Vieles wäre ohne ihr Engagement ganz anders verlaufen. Unter allen Führungskräften, unter denen ich bisher arbeiten durfte, habe ich mich ernst genommen, motiviert und gefördert gefühlt. Solche Lobeshymnen schreibe ich übrigens nicht, weil die besagten Chefinnen und Chefs diese Kolumne lesen. Was ich hier schreibe, erzähle ich zwischen zahlreichen Cocktailschirmchen auch meinen Freundinnen – und werte dadurch ihren Ruf als Führungskraft auf. Ohne, dass sie mich jemals darum gebeten hätten.
Es geht also auch anders, meiner Meinung nach: besser. Wenn Netzwerken in alle Richtungen gedacht und auch in Nachwuchskräfte investiert wird, könnt ihr eine Reputation aufbauen, die sich nicht nur auf Führungsebene positiv wirkt, sondern euch ein nachhaltiges Vermächtnis in der Branche beschert. Ich frage euch: Warum solltet ihr das nicht wollen?