Meine Recherche für diesen Text beginnt – wie so häufig – auf Google. Seit Wochen beschäftigt mich die Frage, wie es um Frauen in der politischen Kommunikation steht. Ob sie dort wirklich mitbestimmen oder nur mitarbeiten. Ob ihre Zahl steigt, oder ihre Macht.
Ich starre die leere Suchleiste an, fange an zu tippen: „Frauenanteil politische Kommunikation“, „Frauen in der Politik“, „Frauen und PR“. Nein, auch nicht, nicht so ganz, fast – Treffer!
Es braucht nicht viele Versuche, dann stoße ich auf einen Artikel des KOM-Magazins. Die Überschrift: „Fehlt Frauen der Wille zur Macht?“. Es geht um die Kommunikationsabteilungen von Dax-Unternehmen. Darum, dass lediglich drei von dreißig von Frauen geführt werden. Die Autorin stellt die Frage: „Wir leben im Jahr 2013, und das ist das Ergebnis?“
Wir leben im Jahr 2025
Seit zwei Jahrzehnten wissen wir, dass Frauen in der deutschen PR-Branche zahlenmäßig überlegen sind. Dafür gibt es in der PR-Berufsfeldforschung sogar einen Begriff: Feminisierung.
2005 konnte der „Gender Switch“ – also der Moment, in dem erstmals mehr Frauen als Männer in einem Berufsfeld tätig sind – nachgewiesen werden. Bis heute wird der Branche eine Feminisierung attestiert. Doch obwohl es viele Frauen in den Public Relations gibt, sind sie nicht gleich verteilt. Die Berufsfeldforschung spricht von einer horizontalen und vertikalen Segmentation. Eine horizontale Segmentation liegt vor, wenn Frauen vor allem in weniger prestigeträchtigen Arbeitsfeldern und Teilbereichen einer Branche arbeiten als Männer. Von einer vertikalen Segmentation ist die Rede, wenn mit steigender hierarchischer Ebene in einem Arbeitsmarktsegment oder Berufsfeld der Frauenanteil sinkt. Und wenn beides gleichzeitig zutrifft? Dann genießen Frauen weniger Ansehen, kriegen weniger Gehalt und bekleiden niedrigere Positionen. Na toll.
Ich bin gerade dabei, mich in die Tiefen der PR-Berufsfeldforschung einzulesen, da fange ich an zu zweifeln: Ist es ausreichend, sich auf Studien zu verlassen, die sich auf die PR-Branche beschränken?
Der Kommunikationsberuf ist vielfältig
„Der Kommunikationsberuf selbst ist überaus vielfältig“, heißt es in der Studie „Profession Kommunikation“, herausgegeben von dem Bundesverband der Kommunikatoren (BdKom) und der Quadriga Hochschule im Jahr 2024: „(…) Dazu gehört etwa Presse- und Medienarbeit, die sich an Journalisten richtet, genauso wie Interessenvertretung sowie an das politisch-administrative System adressierte Public Affairs.“ Die Studie erfasst also mehr Teilbereiche des Kommunikationsberufs – aber ändert das etwas am Ergebnis?
Der Feminisierungstrend zumindest scheint ins Halten gekommen. Erstmals seit 19 Jahren verharrt der Frauenanteil in der PR und Kommunikation auf einem gleichbleibenden Niveau. Dafür sind vor allem in den jungen Generationen viele Frauen vertreten: In der Alterskohorte bis 39 Jahre kommen auf einen Mann im Berufsfeld fast drei Frauen. Auch über die Hierarchieebenen verteilt scheint auf den ersten Blick alles wunderbar: Frauen sind in allen Positionen in der Überzahl. Sogar in der kommunikativen Gesamtleitung überwiegen Frauen mit 57 zu 43 Prozent.
Frauen sind in PR- und Kommunikations-Positionen in der Überzahl, Grafik: BdKom/Quadriga Media, 2024
Auf den ersten Blick. Danach wird deutlich, dass es zwar zahlenmäßig mehr Frauen in der Branche gibt – aber dass die Männer, die es gibt, deutlich häufiger dort anzufinden sind, wo sie eine hohe Entscheidungsmacht inne haben.
Bei diesen Studien frage ich mich: Wenn Männer selbst in der allgemeinen Kommunikationsbranche überproportional oft in Führungsrollen sitzen – wie sieht es dann erst in der politischen Kommunikation aus? In einem Arbeitsfeld, das enger an der Macht gebaut ist als viele andere. Und das – mal ehrlich – selten als Hochburg weiblicher Einflussnahme gilt. Ich suche weiter, aber stoße schnell an eine Grenze: Verlässliche Zahlen? Fehlanzeige. Vor allem, weil politische Kommunikation als Berufsbezeichnung kaum gängig ist. Wer nennt sich schon politischer Kommunikator? Die meisten definieren sich über das Handwerk – PR, Public Affairs, Marketing. Aber nicht über den Kontext, in dem sie kommunizieren und arbeiten: in der Nähe von Macht, Politik, Regierung.
Ganz leer gehe ich aber nicht aus. Eine Studie kommt dem Thema näher als andere: Der Report „Frauen in der Politik“ der Quadriga Hochschule im Auftrag von politik&kommunikation aus dem Jahr 2023. Er stellt nicht nur die üblichen Fragen nach Frauen in Spitzenämtern, sondern fragt auch: Wer beeinflusst Politik aus dem Hintergrund? Wer vertritt Interessen, schreibt Reden, gestaltet Botschaften? Betrachtet wurden die Public-Affairs-Verantwortlichen von 50 Großunternehmen sowie die Chefs der führenden Public-Affairs-Agenturen. Während die Unternehmensrepräsentationen immerhin einen Frauenanteil von rund 31 Prozent vorweisen können, sind es bei den Public-Affairs-Agenturen nur circa zwölf Prozent.
Ein vollständiges Bild zeichnet keine der Studien. Eines wird trotzdem deutlich: Frauen sind in der Mehrheit.
Frauen in der Mehrheit, aber nicht mächtig – und jetzt?
Ich schließe die etlichen Tabs, die sich am oberen Bildschirmrand angesammelt haben. Ich habe viele Artikel gelesen, die sich mit Frauen in der (politischen) Kommunikationsbranche beschäftigen. Es wird darüber geschrieben, dass Frauen keine Lust auf die üblichen – die männlichen – Machtspiele haben. Vielleicht stimmt das. Wer selten gewinnt, verliert irgendwann den Reiz am Spiel. Aber das heißt nicht, dass Frauen keine Lust auf Macht haben. Sie haben nur keine Lust auf Chancenlosigkeit.
Es wird darüber geschrieben, dass sich der Mythos der Frauen als „geborene Kommunikatorinnen“ zwar hartnäckig hält, sie auf dem Weg nach oben aber als „nettes PR-Mädel“ kaum ernst genommen werden. Und es werden Lösungsansätze auf organisationaler Ebene benannt: Das Bewusstsein für Gleichstellung stärken, familienfreundliche Strukturen schaffen, Quoten einführen.
Aber ein Gedanke lässt mich nicht los. Wenn wir darüber sprechen, dass Frauen an die Spitzenpositionen unserer Branche müssen, dann sprechen wir unausweichlich auch darüber, dass sie anderen Macht wegnehmen müssen. Aber: Echte Macht wird ungern geteilt. Warum gehen wir davon aus, dass organisationale Maßnahmen bis in die Spitze unserer Branche wirken können? Gerade dort, wo Macht nicht freiwillig abgegeben wird – nicht aus bösem Willen, sondern weil Macht sich selten selbst abschafft.
Ich denke, dass ein zusätzlicher Lösungsansatz viel selbstbestimmter angelegt sein kann. Und dass er nicht darin bestehen muss, sich einen typisch-männlichen Umgang anzueignen. Sondern dass es darum geht, zusätzliche Räume zu schaffen, in denen Frauen bewusst verhandeln, bewusst fördern, bewusst befördern. Die Studienlage zeigt: Frauen sind viele. Darin liegt eine Chance. Es braucht Netzwerke, die mehr sind als Empowerment. Räume, in denen es nicht nur um Solidarität geht, sondern um Einfluss.
Ich klappe meinen Laptop zu. All das lässt sich wohl kaum von heute auf morgen umsetzen. Und es klingt auch leichter, als es ist. Aber vielleicht reicht es schon, den Blick zu schärfen: für das, was da ist. Und für das, was daraus werden kann.