„Wie erwarten wir eigentlich, gutes Personal zu finden, wenn niemand Stellenausschreibungen öffentlich stellt, verdammte Sch–“
Im Herbst 2023 war vieles anders als heute. Damals habe ich noch als wissenschaftliche Mitarbeiterin für einen Bundestagsabgeordneten gearbeitet. Ich habe diese Kolumne hier noch nicht geschrieben, politik&kommunikation nur sehr unregelmäßig gelesen und mir überhaupt nicht allzu viele Gedanken über diese Branche gemacht. Was ich allerdings sehr wohl getan habe, ist, mich regelmäßig über die Öffentlichkeitsarbeit der Bundestagsabgeordneten aufzuregen. So auch an diesem Tag.
Es landete nämlich mal wieder eine Stellenausschreibung in mein Postfach. Titel: Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit gesucht. Die Mail endete mit der Bitte, man solle diese Ausschreibung an Interessenten weiterleiten. Die Mail wurde ausschließlich an den internen Verteiler verschickt. Eine öffentliche Ausschreibung gab es nicht. Nichts Ungewöhnliches. Alles wie immer. Anders als sonst habe ich meinen Aufreger an diesem Tag nicht analog belassen. Stattdessen habe ich mich auf Instagram öffentlich aufgeregt. Und prompt eine Nachricht bekommen: von Nina Weise.
Nina und ich kannten uns „vom Sehen“. Wir haben beide im Deutschen Bundestag gearbeitet, hatten gemeinsame Freunde, gingen in dieselben Bars. So wirklich miteinander gesprochen haben wir aber nicht. Vielleicht auch deshalb, weil Nina in der CDU ist – und ich in der SPD.
Nina hat mir davon erzählt, dass sie sich innerhalb ihrer Fraktion über die gleichen Themen aufregt. So kamen wir ins Gespräch: darüber, wie schwer es junge Frauen in der Branche haben. Dass es schade ist, wie sehr man in seiner Bubble hängen bleibt. Und dass es kaum Netzwerke für junge politische Kommunikatoren gibt.
So ist der Young Political Communicators Club (YPCC) entstanden. Es ist die Idee eines parteiübergreifenden Clubs, der junge Menschen zusammenbringt, die politisch kommunizieren – ob beruflich oder ehrenamtlich, ob in Parlamenten, Parteien, Unternehmen, Verbänden oder auf der Straße. Heute ist der YPCC etwas über ein Jahr alt. Mittlerweile können wir auf einiges zurückblicken: Über 500 Mitglieder, ein eigenes Mentoringprogramm in Kooperation mit der Bernstein Group, viele Veranstaltungen und noch mehr Learnings. Hier kommen die wichtigsten drei Learnings aus einem Jahr YPCC; über die Entscheider, den Nachwuchs und über mich selbst.
1. Alle wollen Nachwuchstalente. Nur wenige fördern sie gezielt
Als Club von jungen Kommunikatoren für junge Kommunikatoren haben wir, anders als man annehmen würde, nicht nur mit jungen Kommunikatoren zutun. Surprise!
Ein immer größer werdender Teil unserer Arbeit besteht aus dem Austausch mit Arbeitgebern und Führungskräften, die an Nachwuchstalenten interessiert sind. Und genau sind wir auf ein Problem gestoßen: Alle wollen Nachwuchstalente. Kaum jemand aber ist bereit, sie gezielt zu fördern.
Wir werden häufig mit sehr ähnlichen Fragen konfrontiert: Kennt ihr jemanden, der auf diese Stellenausschreibung passt? Wir möchten als Unternehmen bekannter unter jungen Leuten werden, hättet ihr Interesse an einer Kooperation? Über welche Kanäle erreichen wir die junge Zielgruppe?
Bitte nicht falsch verstehen: Auch das ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit und auch bei diesen Fragen helfen wir gerne weiter. Aber: Wenn man grundsätzlich den Anspruch formuliert, an sich als Führungskraft und als Arbeitgeber, dann greifen diese Fragen zu kurz. Denn aus unserem Clubleben können wir berichten, dass sich die wirklich guten Nachwuchstalente über singuläre Engagements nicht oder allenfalls nur sehr kurzfristig binden lassen. Ihre Ansprüche sind höher. Höher, aber nicht unerreichbar.
Talente wollen nämlich zumeist eine durchdachte Nachwuchsförderung, die sie über Jahre hinweg begleitet. Das können unternehmensinterne Mentoringprogramme sein. Eine professionelle Feedbackkultur. Budgets für Weiterbildungen, die nicht nur den Seniors zur Verfügung stehen. Oder eine Arbeitszeitpolitik, die ihnen ermöglicht, ihren Interessen und Neigungen selbstbestimmt nachzugehen.
2. Netzwerken ist wichtig. Aber nicht nur nach oben
Wer zum YPCC kommt, hat meistens sowieso schon ein Interesse daran, ein Netzwerk aus Peers aufzubauen. Und klar, wenn man sich in einem Netzwerk einbringt, dann wird man irgendwann zu dem einen Thema kommen: dem Netzwerken.
Dabei ist mir vor allem in letzter Zeit aufgefallen: Wenn man darüber spricht, sich vernetzen zu wollen, ist meistens nur das netzwerken in eine Richtung gemeint: nämlich nach oben. Junge Talente möchten Lunch mit der Partnerin, mit dem Abteilungsleiter, mit der Chefredakteurin. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, mir ginge es nie so. Ergibt ja auch Sinn: Man braucht Mentoren, Türöffner und Advocates an der Spitze der Branche.
Aber es braucht auch Freunde, Verbündete, Peers, die man auf seiner Seite weiß. Dieses Netzwerk scheint zwar auf den ersten Blick weniger einflussreich, ist aber vor allem eins: Nachhaltiger.
Wer heute in den Führungsetagen sitzt, wird das in 20 Jahren wahrscheinlich nicht mehr tun. Der talentierte Kollege aus dem Praktikum? Den wird man wohl kaum so schnell los. Es lohnt sich also, sich hier ebenso aktiv einzubringen – das kriegen wir auch häufig genug von unseren Mitgliedern gespiegelt.
3. Leiste Gutes und sprich darüber
Learnings sollten ja eigentlich etwas sein, das man, naja, bereits gelernt hat. Eine Frage, auf die man jetzt die Antwort weiß. Oder ein Problem, das man überwunden hat.
Auf dieses Learning trifft das nicht ganz zu. Denn ich kenne die Antwort, aber richtig machen tue ich es deshalb noch lange nicht immer.
In unserer Branche gilt das Recht des Lauteren. Wer regelmäßig und laut über die eigene Arbeit spricht, dem wird oftmals eine größere Kompetenz zugerechnet. Das ist nicht anders als in anderen Branchen.
Nur besteht bei uns die besondere Ironie darin, dass wir als Kommunikationsprofis eigentlich wissen sollten, dass laute Selbstdarstellung nicht automatisch Kompetenz bedeutet. Touché.
Trotzdem fällt es mir – und ich höre das immer wieder von anderen jungen Frauen – schwer, die eigenen Erfolge angemessen zu kommunizieren. Wie präsentiere ich meine Leistungen, ohne als überheblich zu gelten? Wie schaffe ich Sichtbarkeit, ohne in reine Selbstdarstellung zu verfallen?
Was ich in diesem Jahr begriffen habe: Es reicht nicht, nur die Kommunikation Dritter zu managen. Wir müssen auch unsere eigene Öffentlichkeitsarbeit professionalisieren.
Das bedeutet nicht, jeden kleinen Erfolg auf Linked zu feiern. Aber es bedeutet sehr wohl, strategisch über die eigene Sichtbarkeit nachzudenken.
Konkret heißt das: Eigene Expertise durch Fachbeiträge zeigen. Den Mut haben, sich bei Diskussionen aktiv einzubringen und dabei ein Vertrauen in das eigene Können zu haben. Und – das ist vielleicht das Wichtigste – anderen jungen Talenten eine Bühne schaffen.
Denn wenn wir schon dabei sind, uns selbst sichtbarer zu machen, dann können wir gleich das ganze System ein bisschen durchlässiger gestalten. In diesem Sinne: Auf die nächsten Jahre YPCC!
