Der Landtag von Brandenburg wird am 27. September 2009 gewählt, am selben Sonntag wie der Bundestag. Dagegen finden die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und im Saarland am 30. August 2009 statt, vier Wochen vor der Bundestagswahl. Dort müssen die Wähler also kurz hintereinander zweimal zu den Urnen gehen. Der Grund ist ein rein machttaktischer: Die CDU, die im Saarland und in Thüringen allein regiert und auch in Sachsen in der Koalition mit der auf 9,8 Prozent geschrumpften SPD das Sagen hat, verspricht sich von den getrennten Wahlterminen ein besseres Abschneiden. Ihre Strategen gehen von dem Erfahrungssatz der Wahlforscher aus, die niedrigere Beteiligung bei Landtagswahlen komme ihrer Partei zugute, weil die SPD dann größere Probleme habe, ihre Anhänger zu mobilisieren. Während die Politik sonst immer niedrige Wahlbeteiligung beklagt, spekuliert die CDU hier geradezu darauf, um ihre Chancen zu erhöhen. Dazu kommt noch ein weiteres Kalkül: Im Saarland und in Thüringen, wo die Ministerpräsidenten Peter Müller und Dieter Althaus derzeit noch einer CDU-Alleinregierung vorstehen, könnte die Linke bei der Landtagswahl so gut abschneiden, dass sie zusammen mit der SPD rechnerisch eine neue Regierung bilden könnte. Falls sich das abzeichnet, hätte die Union die Möglichkeit, die Aussage von Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier, die auf Bundesebene eine solche Koalition vorerst ausschließen, unmittelbar vor der Bundestagswahl wählerwirksam in Frage zu stellen. Die Terminierung ist natürlich auf großen Protest der SPD gestoßen, die alle vier Landtagswahlen mit der Bundestagswahl zusammenlegen wollte in der Hoffnung, im Windschatten der Bundestagswahl auch in den Ländern ein besseres Ergebnis zu erzielen.
In der Tat stellt sich die Frage, ob es mit dem Grundsatz der Chancengleichheit bei Wahlen vereinbar ist, dass die Regierungsparteien und ihre Exponenten die Befugnis besitzen, den Termin im Interesse ihres Machterhalts festzulegen. Die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb ist von größter Bedeutung für die Legitimation der demokratischen Mehrheitsherrschaft. Und das Bundesverfassungsgericht hat die Einhaltung jenes Grundsatzes bisher meist streng eingefordert.
Im Saarland und in Thüringen bestimmt die Landesregierung ganz allein den Wahltag, in Sachsen legt sie ihn im Einvernehmen mit dem Landtagspräsidium fest. So steht es in den jeweiligen Landeswahlgesetzen. Doch Regierungen sind alles andere als neutral, wenn es um ihre (Wieder-)Wahl geht. Zwar suchen die CDU-Ministerpräsidenten das Wahl-Splitting öffentlich damit zu rechtfertigen, sonst würden die Landtagswahlen zu sehr von Bundesthemen überlagert. Doch das ist vorgeschoben. Der Ministerpräsident ist meist gleichzeitig Parteivorsitzender, und Minister pflegen ebenfalls Exponenten der Regierungsparteien zu sein. Die Terminierung richten sie, auch wenn sie formal als Landesregierung entscheiden, tatsächlich am eigenen Machterhalt und dem ihrer Partei aus. Im Frühjahr 2008 hatte Peter Müller das noch offen zugegeben: Alle Parteien würden Wahltermine suchen, in denen für sie das beste Ergebnis zu erwarten sei.
Doch damit erhält die Regierung – über den politpsychologischen „Amtsbonus“, der nun einmal nicht abzuschaffen ist, hinaus – noch einen zusätzlichen rechtlichen Hebel, den Wettbewerb zu ihren Gunsten zu verfälschen, und das widerspricht der Fairness der Wahl. Man könnte das ändern, indem der Wahltag in der Landesverfassung exakt festgelegt und damit dem Machterhaltsinteresse der Regierung entzogen wird. Schulferien und andere relevante Termine müssen sich dann danach richten.
Ähnliche rein machtpolitische Überlegungen bestimmen oft auch die Terminierung der Kommunalwahlen. Die nordrheinwestfälische CDU/FDP-Mehrheit wollte sie auf den 7. Juni 2009 legen, den Tag der Europawahl, obwohl die Amtszeit der Stadt, Gemeinde und Kreisräte in NordrheinWestfalen erst im Herbst endet und deshalb eine Zusammenlegung mit der Bundestagswahl am 27. September eigentlich sehr viel näher läge. Das Vorziehen des Termins hätte viereinhalb Monate lang ein politisches Interregnum in den Kommunen bedeutet: Die neu gewählten Räte und Bürgermeister hätten rechtlich noch nichts zu sagen, die alten aber hätten ihre Legitimation verloren, politische Entscheidungen zu treffen, weil sie faktisch abgewählt wären. Wenn sie aber doch entschieden, könnten sie dafür vom Wähler nicht mehr verantwortlich gemacht werden. Auch hier war wohl die Hoffnung der CDU, bei niedriger Wahlbeteiligung besser abzuschneiden, das zentrale Motiv. Und die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen ist eben erfahrungsgemäß sehr viel höher als bei Europawahlen. Der nordrheinwestfälische Verfassungsgerichtshof hat das Vorziehen der Wahl mit Urteil vom 18. Februar 2009 mit Recht für verfassungswidrig erklärt. Als neuen Wahltermin hat die Regierung den 30. August 2009 festgelegt – mit voraussichtlich noch niedrigerer Wahlbeteiligung!
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Beruhigungsmittel- Regierungskommunikation in der finanzkrise. Das Heft können Sie hier bestellen.