„Schutzschirme aufspannen“

p&k: Herr Steinbrück, Sie sind der „Politiker des Jahres 2008“. Würden Sie bitte den Satz vervollständigen „Das Jahr 2008 war für mich …“?
Peer Steinbrück: … das Jahr der größten Finanzkrise seit fast 80 Jahren. Nach dieser Krise ist an den Weltfinanzmärkten nichts mehr so, wie es vorher war. Aber es war auch das Jahr, in dem die internationalen Institutionen und die Zusammenarbeit im Ecofin, in der G7 und der G20 bewiesen haben, dass wir mit solchen Krisen besser fertig werden können als im Jahr 1929.

Was ist Ihre persönliche Lehre aus diesem Krisenjahr?
All die, die uns immer erzählen wollten, dass ein Staat nur dann gut ist, wenn er möglichst passiv ist, sind selber sehr kleinlaut geworden. Wir erleben ein weltweites Bekenntnis zur Handlungsfähigkeit des Staates und der Notwendigkeit von internationalen Regeln und intakten Institutionen. Wir dürfen nicht den Fehler machen, dies nach der Krise wieder zu diskreditieren.

Wenn Sie sich mit den Bankmanagern, denen Sie noch vertrauen, auf ein Bier treffen würden – würde da ein Stehtisch reichen?
Bitte keine Pauschalurteile. Wie überall gibt es solche und solche. Es wurden Fehler gemacht. Jetzt gilt es, aus diesen Fehlern die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wenn dies gelingt, wird die Weltwirtschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Die Krise hat Unzulänglichkeiten unseres Wirtschaftssystems offen gelegt. Das Vertrauen in die Märkte ist erschüttert. Brauchen wir jetzt ein Comeback des Staats?
Der alte Maßstab „Soviel Markt wie möglich und soviel Staat wie nötig“ hat sich bewährt und sollte nicht aus dem Auge verloren werden. Es geht nicht um möglichst viel Staat. Aber ganz klar ist: Ohne einen funktionierenden handlungsfähigen Staat funktionieren die Märkte eben doch nicht.

Sie haben gesagt, es sei „scheinrational“, zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland Zahlen zu nennen. Geht es in der Wirtschaft überhaupt noch rational zu, treibt uns nicht die Angst in die Krise?
Wirtschaft ist immer auch Psychologie. Das gilt im Erfolg wie in der Krise. Wachstumsblasen und maßlose Übertreibungen sind nicht rational zu begründen – genauso wenig wie ihr plötzliches Platzen. Erfolgreiches Wachstum braucht Vertrauen – ohne Vertrauen kein stetiger Erfolg. Deswegen müssen alle Anstrengungen darauf gerichtet sein, das verloren gegangene Vertrauen wieder herzustellen.

Die Kanzlerin rechnet jetzt mit einem ausgeglichenen Haushalt erst im Jahre 2013 statt 2011. Ist das eine Vision oder ein ernstzunehmendes Ziel?
Es macht deutlich, dass dieses wichtige Ziel weiter Maßstab für unser politisches Handeln ist. Aber wie immer gilt: „First things first.“ Und jetzt gilt es, die Finanzkrise erfolgreich zu meistern und im Konjunkturabschwung Schutzschirme für Arbeitsplätze aufzuspannen.

Sie standen in diesem Jahr als Krisenmanager da – es gab aber auch Kritik, weil Sie zunächst sagten, die Krise werde Deutschland nicht so stark treffen wie die USA. Haben Sie die Krise unterschätzt?
Die Wasserscheide der Krise war die Insolvenz von Lehman in den USA. Hätten die Amerikaner diesen dramatischen Fehler nicht gemacht, hätte die Krise eine andere Entwicklung genommen. Das habe ich – wie die allermeisten Fachleute auch – in der Tat nicht vorhersehen können.

Mancher Bürger glaubt, die Bundesregierung hätte tatsächlich 500 Milliarden Euro verteilt. Hat die Regierung das Rettungspaket ausreichend erklärt?
Wenn Sie die öffentlichen Erklärungen der Regierung Revue passieren lassen, dann finden Sie viele Beispiele für umgangsprachlich verständliche Erläuterungen. Aber natürlich ist es immer schwer, eine so ungeheuerlich große Zahl wie 500 Milliarden Euro zu decodieren.

Sie stehen in der SPD für Finanzkompetenz. Werden Sie sich im Rezessions- und Wahljahr 2009 stärker im Wahlkampf engagieren müssen als bisher geplant?
Wieso „als bisher geplant“? Auf welche Planung heben Sie ab? Selbstredend werde ich meiner Partei im Bereich „Wirtschaft und Finanzen“ Profil geben wollen. Und im Vergleich stehen wir nicht schlecht da.

Würden Sie bitte den Satz vervollständigen „Das Jahr 2009 wird für mich …“?
… nur angenehme Überraschungen bereithalten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Politiker des ­Jahres – Peer Steinbrück. Das Heft können Sie hier bestellen.