Regeln gegen Bestechung verschärfen?

Pro und Kontra

Pro
von

Deutschland hat 1999 und 2003 völkerrechtliche Übereinkommen über globale Standards bei der Korruptionsstrafbarkeit und der Abgeordnetenbestechung unterzeichnet. Wer „a“ sagt, muss auch „b“ sagen – will heißen: Wer sich so bindet, der muss die Standards in nationales Recht umsetzen. Über 150 Länder haben das Antikorruptionsübereinkommen umgesetzt, Deutschland peinlicherweise nicht. Dabei ist die Umsetzung notwendig. Nach deutschem Recht ist bislang nur der Stimmenkauf und -verkauf bei Wahlen strafbar. Die völkerrechtlichen Vorgaben gehen weiter: Unter Strafe gestellt werden müssen alle Handlungen im Rahmen der Mandatspflichten, die als Gegenleistung für einen ungerechtfertigten Vorteil vorgenommen oder unterlassen werden. Auch der Bundesgerichtshof hat Regelungsbedarf angemahnt. Er hat im Wuppertaler Korruptionsskandal und Kölner Müllskandal entschieden, dass kommunale Mandatsträger in der Regel keine Amtsträger und deshalb nicht wegen Bestechung und Bestechlichkeit im Amt zu belangen sind. Damit klafft eine Gesetzeslücke auch bei der Korruptionsbekämpfung im kommunalen Bereich.
Es führt kein Weg daran vorbei, Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern unter Strafe zu stellen. Dabei gilt es, sie von Einflussnahmen abzugrenzen, die im Rahmen der Mandatsausübung politisch und sozial adäquat sind. Diese Grenze muss sich zweifelsfrei aus der Norm selbst ergeben. Die SPD-Fraktion legt hierzu einen Vorschlag vor. In der 15. Wahlperiode hat die vorgezogene Bundestagswahl die Beratung eines SPD-Vorschlags verhindert, in der vergangenen Wahlperiode verweigerte die Union jedwede Gespräche zum Thema. Durch sture Verweigerung löst sich der Umsetzungsbedarf nicht in Luft auf. Die Regierungsfraktionen müssen jetzt handeln. Einsichtsfähigkeit signalisierte Bundestagspräsident Norbert Lammert in der Debatte am 8. April, als er darauf hinwies „dass es zu dem Problem Klärungs- und vielleicht auch Handlungsbedarf gibt.“

Kontra
von Siegfried Kauder

Volksvertreter sind weder Beamte, noch ihnen gleichgestellt. Staatsdiener sind in ihren Entscheidungen nicht frei – von ihnen erwarten die Bürger ein unparteiisches Vorgehen. Hält ein Beamter die Hand auf, ist das Ansehen des Staats in Gefahr. Es ist deshalb gut, dass die UN alle Staaten aufgerufen hat, sich im Kampf gegen Korruption zusammenzuschließen.
Es hat etwas für sich, sicherzustellen, dass Abgeordnete sich ihr politisches Handeln nicht abkaufen lassen dürfen – die Korruptionsvorschriften des Strafgesetzgebers passen allerdings nicht zum politischen Handeln. Es fehlen Leitplanken, innerhalb derer Zuwendungen politisch adäquat sind und außerhalb derer ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt.
Seit Jahren versuchen Juristen vergeblich, diese Grenze zu finden. Abgeordnete üben ein freies Mandat aus und sind nur ihrem Gewissen verantwortlich; ihre Entscheidungen sind politisch begründet, und Politik folgt eigenen Regeln. Kontakt zu Bürgern ist für Abgeordnete unabdingbar. Dazu gehören auch Einladungen und gelegentliche Zuwendungen.
Das freie Mandat verträgt keine Bindung an Korruptionsvorschriften. Der Versuch, das Spannungsverhältnis zwischen UN-Vorschrift und materiellem Recht zu lösen, ist in Österreich kläglich gescheitert. Die Abgeordneten wurden Beamten gleichgestellt, aber durch die Hintertür von den sich daraus ergebenden Pflichten befreit. Trotz dieses Taschenspielertricks laufen österreichische Abgeordnete Gefahr, wegen Bestechlichkeit vor Gericht gezerrt zu werden. Würde man die deutschen Abgeordneten den Korruptionsvorschriften unterwerfen, hieße das, das parlamentarische Gefüge massiv zu stören.
Ich bleibe dabei: Abgeordnete sind keine Beamten. Stimmenkauf ist bereits strafbar. Um den Parlamentarismus vor ungewünschten Angriffen zu schützen, ist mehr nicht nötig. Wer das freie Mandat einschränken will, muss die Lösung über die Verhaltensrichtlinien, die Abgeordnete sich selbst auferlegt haben, suchen. Alles andere wird scheitern.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe SPD – Eine Partei baut sich um. Das Heft können Sie hier bestellen.