„Die Euro-Krise hilft allein der Union“

p&k: Die Piraten liegen aktuell in den Umfragen bei Forsa bei sechs Prozent. Es wird oft behauptet, dass die neue Partei vor allem den Grünen Stimmen wegnimmt. Wie ist Ihre Einschätzung?
Matuschek: Das ist unserer Ansicht nach eine Fehleinschätzung. In der politischen Selbsteinschätzung verorten sich die Piraten-Sympathisanten zum Beispiel eher in der politischen Mitte, sogar noch etwas rechts von der SPD, während die Grünen deutlich links von der Mitte liegen. Richtig ist jedoch, dass die Piraten in starkem Maße Erst- und Nichtwähler an sich binden. Diese Ventil-Funktion hatten in der Vergangenheit oft die Grünen inne. Es gibt aber kaum einen direkten Zustrom von ehemaligen Grünen-Wählern zu den Piraten.
… also leisten die Piraten sogar einen Dienst an der Demokratie?
Zumindest stoßen sie in ein Vakuum und ziehen die mit den etablierten Parteien Unzufriedenen an. Ingesamt muss sich die Politik jedoch Gedanken machen, wie man es den Menschen erleichtern kann, an Wahlen teilzunehmen. Wir hatten ja bei der letzten Bundestagwahl einen Nichtwähleranteil, der sogar noch höher war als bei der ersten Bundestagswahl 1949.
Forsa-Chef Manfred Güllner hat in einem Interview kritisiert, dass die Briefwahl einer Wahlmanipulation gleicht. Sind Sie der gleichen Meinung?
Bei der Briefwahl wird das Prinzip einer Wahl – nämlich einer Entscheidung an einem Stichtag – verwässert, weil man sich während eines Zeitraums von 6 Wochen entscheiden kann, in dem noch viel passieren kann, was Einfluss auf die Wahlentscheidung hat. Außerdem kann – anders als im Wahllokal – der ganze Prozess von der Beantragung der Briefwahl über das Ausfüllen der Unterlagen bis zur Abgabe der Unterlagen überhaupt nicht kontrolliert werden, so dass mannigfaltige Manipulationen möglich sind.
2005 hat Ex-Kanzler Schröder am Wahltag die Demoskopen scharf kritisiert, weil sie die Aufholjagd der SPD nicht erkannt haben. Ist solch ein Last Minute Swing in dieser Wahl ausgeschlossen?
Bei der Bundestagswahl 2005 hatten wir die Situation, dass es ein Missverhältnis gab zwischen den Kanzlerpräferenzen der Unionshänger und der Wahlabsicht. Ein Drittel der Unionshänger hatte große Vorbehalte gegenüber der damaligen Kandidatin Merkel. Schröders Beliebtheit in der Bevölkerung hat letztlich den Last Minute Swing für die SPD gebracht. Bei der Wahl im kommenden Jahr sehe ich ehrlich gesagt keinen Kandidaten bei der SPD, der im Moment ähnlich hohe Beliebtheitswerte wie die Kanzlerin hat.
Also hilft die Euro-Krise vor allem der Union?
Auf jeden Fall. Die Mehrheit der Deutschen fühlt sich von Angela Merkel gut vertreten, sie macht auf internationalem Parkett eine gute Figur. Auch wenn nicht jeder die Details der Euro-Krise durchschaut, hat man den Eindruck, sie unternimmt das Beste, um Deutschland unbeschadet durch die Krise zu führen.
Forsa gilt traditionell als SPD-nah, das Allensbach-Institut als CDU-nah. Woher kommen diese Einstufungen?
Ich kenne diese Zuschreibungen natürlich auch. Bei uns ist dies vermutlich durch die ja allseits bekannten Kontakte von Herrn Güllner und Gerhard Schröder entstanden. Solche Zuschreibungen haben jedoch für unsere tägliche Arbeit keine Bedeutung. Wir haben – mit einer Ausnahme – nie direkt für die Bundes-SPD gearbeitet, von daher ist das ein Stempel, der irgendwann entstanden ist. Insgesamt haben wir natürlich, wie andere Institute auch, Auftraggeber aus allen politischen Lagern.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Wir wollen rein – Bundestag 2013. Das Heft können Sie hier bestellen.