Digitale Kommunikation in der Politik: Viel Arbeit, wenig Perspektive

Kolumne

Auf meinem Laptop habe ich die Stellenausschreibung eines Bundestagsabgeordneten geöffnet. Ein Wissenschaftlicher Mitarbeiter wird gesucht, in Vollzeit. Die Ausschussarbeit, Büroorganisation und Betreuung von Besuchergruppen sollen übernommen werden. Auch muss der Kontakt zu relevanten Fachverbänden, Institutionen und zivilgesellschaftlichen Vereinigungen gepflegt werden. Ach so, und mit der restlichen Zeit werden die Social-Media-Accounts des Abgeordneten bespielt. Ich schließe das Fenster in dem Wissen, dass eine solche Ausschreibung im politischen Betrieb keine Ausnahme ist, sondern die Regel.

Was mache ich jetzt daraus? Ich könnte diese Kolumne dazu nutzen, über die Relevanz sozialer Medien für die politische Kommunikation zu schreiben. Ich könnte Studien zitieren, die zeigen, dass sich immer mehr Menschen ihre Meinung auf Instagram und Co. bilden. Davon gibt es schließlich genug. Aber: Das wissen wir alles schon. Niemand, wirklich niemand will noch einen Text darüber lesen, warum Politiker sich einen Tiktok-Account erstellen sollten.

Stattdessen will ich über etwas anderes sprechen: über die parteiinternen Strukturen, die digitalen Kommunikationsexperten keine Entwicklungsmöglichkeiten geben. Und über die gravierenden Folgen.

Aller Anfang ist schwer. Dieser besonders.

Wenn euch jemand sagt, dass er oder sie gerne als Social-Media-Manager in der Politik arbeiten möchte, dann dürft ihr dieser Person viel Glück wünschen. Sie wird es brauchen. Denn während Jobs in allen Teilbereichen der politischen Kommunikation heiß umkämpft sind, hat die digitale Kommunikation ein zusätzliches Problem: Es gibt schlichtweg kaum Stellen für Social Media.

Es ist noch nicht allzu lange her, da gab es das Berufsbild des Social-Media-Managers in der Politik gar nicht. Da gab es die Presseabteilung und es gab die Mitarbeiter, die inhaltliche Arbeit leisten. Vor diesem Hintergrund könnte man sich darüber freuen, wenn die digitale Kommunikation es zumindest als Stichpunkt in das Anforderungsprofil einer Ausschreibung schafft. Oder?

Wären wir im Jahr 2015, würde Youtube gerade das Medium der Stunde und ginge es dem Lokaljournalismus noch gut: vielleicht. Aber zehn Jahre später kann das kaum der Anspruch sein.

Wenn es Nachwuchstalente gibt, die gerne für Politiker kommunizieren wollen, wird ihnen zumeist ein völlig überfrachtetes Anforderungsprofil auferlegt und Aufgabenbereiche zugeordnet, die nicht in ihrem Kompetenzbereich liegen. Wer sich darauf nicht einlassen will, dem bleiben die Teilzeitstellen, bei denen man auf 10 bis 20 Stunden alle digitalen Kommunikationskanäle bespielen darf.

Warum sollte man bleiben, wenn man nirgendwo hinkann?

Nehmen wir an, jemand schafft das. Er oder sie findet eine Stelle, bei der digitale Kommunikation tatsächlich im Zentrum steht. Bei einem besonders vorbildhaften Bundestags- oder Landtagsabgeordneten. Er oder sie ergattert eine der heißbegehrten Stellen in den Parteizentralen oder arrangiert sich mit der 20-Stunden-Woche.

Dann stellt sich schnell heraus: Es fehlt nicht nur an Einstiegsmöglichkeiten. Es fehlt vor allem an Entwicklungsperspektiven. Wer in der digitalen Kommunikation arbeitet, bleibt dort. Aufstieg findet – wenn überhaupt – in der klassischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit statt. Das liegt an einer Hierarchie, die sich hartnäckig hält: Presse kann über Digitales verfügen, aber nicht umgekehrt. Presse entscheidet über Social-Media-Strategien, gibt Posts frei, bestimmt die Tonalität. Digitale Kommunikation wird als Anhängsel der „echten“ Kommunikationsarbeit behandelt.

„Presse kann über Digitales verfügen, aber nicht umgekehrt.“

Dabei müsste ein Grundverständnis für digitale Kommunikation bei Führungskräften mittlerweile genauso selbstverständlich sein wie Kenntnisse in Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Instagram-Reel zu schneiden ist etwas anderes als eine Pressemitteilung zu schreiben. Eine Tiktok-Strategie zu entwickeln ist etwas anderes als eine Pressekonferenz vorzubereiten. Beides ist professionelle Kommunikationsarbeit. Aber nur Letzteres wird entsprechend honoriert – und erlaubt den Aufstieg in höhere Positionen.

Das Ergebnis? Junge Talente, die eigentlich in der politischen Kommunikation bleiben wollten, gehen in die Selbstständigkeit. Oder zu Kommunikationsagenturen, die ihnen bessere Bedingungen bieten. Oder sie verlassen das Feld der politischen Kommunikation vollständig. Wer sich weiterentwickeln will, braucht einen Schwerpunkt auf Presse oder Public Affairs. Ansonsten wird es nichts mit der Karriere. Umgekehrt gilt das nicht für digitale Kommunikation. Nachwuchstalente können so nicht gehalten werden.

Kein Umweg über Presse oder PA

Die demokratischen Parteien können so weitermachen wie bisher: Teilzeitstellen ausschreiben, Social Media als Zusatzaufgabe behandeln, darauf hoffen, dass sich irgendwie jemand findet. Sie werden weiterhin Nachwuchstalente verlieren, die frustriert das Feld räumen. Oder sie können digitale Kommunikation endlich als das behandeln, was sie ist: als professionelle Disziplin, die Ressourcen, Expertise und Entwicklungsmöglichkeiten braucht.

Sie können Stellenausschreibungen modernisieren, bei denen Social Media nicht als Randnotiz auftaucht. Mehr Vollzeitstellen für digitale Kommunikation schaffen. Interne Freigabeschleifen verkürzen, um schnelles Reagieren zu ermöglichen. Und Karrierewege öffnen, die nicht zwangsläufig in oder über die Presseabteilung führen.

„Extremistische Akteure bauen professionelle digitale Strukturen auf.“

In aller Deutlichkeit: Das alles wäre im Interesse der demokratischen Parteien selbst. Wir können viel über Plattformspezifität, Algorithmen und authentische Ansprache diskutieren. Wenn parteiinterne Strukturen nicht jene Leute fördern, die das umsetzen sollen, ist die Debatte hinfällig.

Immer mehr Menschen informieren sich primär über soziale Medien, quer durch alle Altersgruppen. Wer dort nicht präsent ist oder nicht professionell kommunizieren kann, verliert Reichweite und Einfluss. Während demokratische Parteien ihre Social-Media-Talente mit Teilzeitverträgen abspeisen, bauen extremistische Akteure professionelle digitale Strukturen auf. Die demokratischen Parteien können sich weiter darüber beklagen, dass sie im Digitalen nicht durchdringen. Oder aber sie akzeptieren, dass man Expertise nicht mit studentischen Hilfskräften aufbaut, die nach zwei Jahren wieder weg sind.

„Die demokratischen Parteien müssten ihren digitalen Kommunikationsexperten eigentlich zu Füßen liegen.“

Die demokratischen Parteien müssten ihren digitalen Kommunikationsexperten eigentlich zu Füßen liegen. Stattdessen werden sie behandelt wie eine Ressource, die man sich leisten kann, weil sie wenig kostet. Das ist kurzsichtig. Und es ist, als würde man die Zukunft der politischen Kommunikation aktiv verspielen.