Wo steckt eigentlich… Marina Weisband?

Frau Weisband, sind Sie froh, momentan keine politische Verantwortung zu tragen?

Marina Weisband: Ja, auch weil ich der aktuellen Lage sicherlich nicht gewachsen wäre. Dennoch suche ich die Öffentlichkeit, denn viele Politiker reagieren momentan unbesonnen und verschärfen Probleme eher.

Twitter statt Tagespolitik?

Ich versuche, meine Stimme zu erheben, wo immer ich bin. Aber Druck auf die Realpolitik auszuüben, funktioniert leider nur gut, indem man ein Teil von ihr ist. Der Ausstieg war dennoch vorerst der richtige Entschluss.

Wie lauten die Kernthesen aus Ihrem ersten politischen Leben?

1. Vielen Menschen gleichzeitig Macht zu geben, ist gut, aber nur wenn sie sinnvoll organisiert ist.
2. Wie transparent und mitfühlend Politiker sein können, hängt entscheidend davon ab, wie man sie behandelt.
3. Politik selbst ist von vielen Problemen überfordert und neigt dazu, diese an Experten auszulagern – was der falsche Weg ist.

Eine systemische Krise also?

Ja, eine der repräsentativen Demokratie insoweit, dass globale, vernetzte und komplexe Probleme von einzelnen Personen kaum noch erfasst werden können. Wir müssen Entscheidungsformate gewinnen, die klüger sind als der einzelne Mensch. Das Parteisys­tem sollte sich der Kompetenzen der nicht-gewählten Bürger bedienen. Liquid Democracy ist ein Werkzeug, mit dem man das super machen kann.

Das heißt, die Piraten können zurückkommen?

Ob unter diesem Label, weiß ich nicht. Sehr viele Leute, auf die ich große Hoffnung setze, sind ausgetreten. Das Momentum und der Hype 2012/13 waren zu groß. Es sind zu viele Leute in die Partei eingetreten, deren Vorstellungen wir politisch nicht auffangen konnten. Das hat die Partei nicht ausgehalten. Als Idee wird die Partei aber überleben, definitiv. Zu viele ihrer Themen werden unausweichlich an Bedeutung zulegen: Datensicherheit, bedingungsloses Grundeinkommen, Liquid Democracy.

Wie viel Piraten steckt in AfD und Pegida?

Nicht der Inhalt, aber der Populismus, der der Piratenpartei auch zu eigen war. Dass bei der Europawahl 2014 in Deutschland keine rechten Parteien stark waren, lag auch daran, dass vieles auf die linken Piraten projiziert wurde. Das Parteiprogramm hatten viele gar nicht gelesen, sondern wollten es “denen da oben” endlich mal zeigen. Aus denselben Gründen wählen heute viele AfD.

Gelassener Rückblick oder Drang, sich einzubringen?

Beides, das Tagestreiben der Piraten sehe ich entspannt wie jemand, der in Rente gegangen ist. Bei der großen Politik möchte ich schreien. Da brennt meine innere Flamme noch lange.

Ihr Plan B jenseits der Politik?

Die Arbeit an Schulen – ein wunderbarer Job und so sinnbringend. Darüber hinaus kann ich mir vieles vorstellen, beispielsweise einmal eine eigene Sendung zu moderieren.

Es gab sicherlich schon Avancen von Sendern oder anderen Parteien?

Tatsächlich nicht – aber ich würde mich freuen, wenn Sie denen Ihre Vermutung mitteilen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe politik&kommunikation IV/2015 Zukunft. Das Heft können Sie hier bestellen.