Von Senkrechtstartern und einer wackeligen Spitze

US-Wahlen

Der betrunkene Formel-1-Fahrer: Donald Trump

Trumps Kandidatur dominiert weiterhin die republikanischen Vorwahlen. So seltsam es aus der Distanz anmuten mag, der egomanische, kompromisslose Stil in dem Trump die vermeintliche Wahrheit sagt, gefällt den Amerikanern – zumindest jenen, die in Umfragen ihre Meinung abgegeben haben. Dort steht er konstant und mit gutem Abstand vor seiner Konkurrenz. War das republikanische Establishment anfangs versucht, die Umfragewerte als Sommerhoch abzutun, wird es nun langsam nervös. Nicht einmal ein sexistischer Seitenhieb auf die beliebte Fox-Moderatorin Megyn Kelly und die darauffolgende Schmähung durch den Haus-und-Hof-Sender konnten Trump etwas anhaben. Auch thematisch treibt er die Konkurrenz vor sich her und schafft es leichthändig, jedes Bemühen um ein moderneres Image der Partei zu zerstören – vor kurzem etwa mit der Forderung die in der Verfassung festgeschriebene Staatsbürgerschaft bei Geburt abzuschaffen. Solange Trump aber ausschließlich auf seine Fernsehauftritte setzt und völlig auf den Aufbau einer Organisation verzichtet, wird er die Nominierung nicht heimholen. Trumps Kandidatur erinnert an ein Formel-1-Rennen mit einem betrunkenen Fahrer: Alle sind sich ziemlich sicher, dass er nicht gewinnen wird – die Strategie des Rennens richten sie dennoch nach ihm aus. 

Der langsame Aufstieg: Carly Fiorina

Die einzige, die davon profitiert hat, bei der ersten republikanischen Debatte am “Kindertisch” um 18 Uhr zu stehen und damit nicht in der Hauptdebatte mit Trump konkurrieren zu müssen, ist die ehemalige HP CEO Fiorina. Sie steigt seit der Debatte konstant in den Umfragen. Wenn sie dieses Momentum behält, könnte sie sich für manche zu einer veritablen Alternative zu den Männern Bush, Walker und Rubio entwickeln. 

Der dritte Versuch: Joe Biden

Angeblich hat der vor wenigen Monaten verstorbene Sohn des Vizepräsidenten, Beau Biden, selbigem am Sterbebett abgerungen, doch ein drittes Mal sein Glück zu versuchen. Seit einigen Tagen rumort es in der Gerüchteküche. Angeblich hat er mehrere Endorsements und Spenden, alles was fehlt ist das offizielle Go. Das würde das Rennen auf demokratischer Seite noch einmal aufwirbeln: Umfragen zeigen einen klaren Split, rund die Hälfte der Demokratischen Basis wünscht sich eine Kandidatur, die andere lehnt es ab. In den Swing States sind Bidens Zahlen gegen einen fiktiven Republikaner zumindest gleich gut wie Clintons. Er wäre jedenfalls eine Absicherung, sollte Clinton über ihre E-Mail-Affäre oder etwas noch Unbekanntes stolpern. 

Der Senkrechtstarter: Bernie Sanders

Sanders füllt noch immer Hallen. Kürzlich wurde die erste Umfrage veröffentlicht, in der er ein paar Prozentpunkte vor Clinton im ersten Vorwahlstaat, New Hampshire, liegt. Niemand glaubt so wirklich daran, dass Sanders Clinton schlagen kann – vor allem weil es für die Demokratische Partei hoch riskant wäre, einen Politiker, der sich als (demokratischer) Sozialist bezeichnet, ins Rennen zu schicken. Wenn man mit Demokraten an der Basis spricht, gibt es viele, die ihm die Stimme in den Vorwahlen geben wollen und dann im zweiten Wahlgang mit Clinton zufrieden wären. Es ist fast so, als würde sich die progressive demokratische Basis einen Tagtraum erlauben, aus dem sie sich im Januar selbst aufwecken.  Sanders wird jedenfalls von dieser Kampagne gestärkt in den Senat zurückkehren. 

Die wackelige Spitze: Hillary Clinton

Clinton kann ihre E-Mail-Affäre nicht abschütteln. Als Außenministerin verwendete sie nicht ihre @state.gov Adresse, sondern einen privaten, auf einem Server in ihrem Haus gelagerten E-Mail Server. Nach langem Weigern übergab sie diesen nun an die Justiz. Alles dreht sich um die Frage, ob sie klassifizierte Nachrichten über diesen Server erhalten hat und damit Sicherheitsstandards verletzte – was zu einer strafrechtlichen Ermittlung führen könnte. Nicht die Worte, die man mit einer Präsidentschaftskandidatin in Verbindung bringen will. Die Situation selbst und die mehr als missglückte Krisenkommunikation – inklusive gereizter Antworten in Interviews – lassen Clintons Beliebtheitswerte sinken. Die Affäre bestätigt das Bild, das viele von den Clintons haben: Eine Familie, die glaubt, dass Regeln nicht für sie gelten. Die Zeit ist in diesem Kontext der wichtigste Faktor: Schaffen es die Republikaner den Skandal bestenfalls bis November 2016 am Kochen zu halten oder gelingt es Clinton einen Schlussstrich zu ziehen und Themenführerschaft zurückzuerlangen?