Von guten und schlechten Pressesprechern

Wir Pressesprecher sind ja ein eigenartiges Völkchen. Man weiß nicht so richtig, wo man uns hintun soll: hierhin oder dorthin? Zu uns oder zu denen?

Im eigenen Laden, für den wir sprechen, werden wir nie vollständig den Ruf der unsicheren Kantonisten los, gelten gewissermaßen als unkalkulierbares Leck, durch das interne Informationen nach außen sickern könnten – “Oh Gott, wenn das die Pressestelle erfährt, steht’s morgen gleich in der Zeitung!” Und natürlich sind wir auch diejenigen, die Botschaften lancieren sollen, Medienauftritte beschaffen sollen, Interviews besorgen sollen – also insgesamt für das sorgen sollen, was “gute Presse” genannt wird.

Wir sind aber auch diejenigen, die als “Kavallerie” in Reserve gehalten werden, die ausrücken soll, wenn es unangenehm wird, wenn es darum geht, gegen unfaire oder unzutreffende Berichterstattung vorzugehen.

Einfallstore und Torhüter zugleich

Für die anderen, für die Menschen in den Medien, sind wir auch zweierlei: Einfallstore und Torhüter zugleich. Mal die lieben Kolleginnen und Kollegen, die Interviews und Termine mit den Chefs arrangieren, Zitate liefern, Informationen und Hinweise geben, interpretieren und erläutern. Anderseits auch: die ewigen Schönfärber, Erfinder von Geschichten, Dementierer, Zitate-Glätter und viel gescholtene Interview-Zensoren.

Zugegeben – das ist ein bisschen übertrieben und zugespitzt. Aber im Kern ist es doch so: Pressesprecher gehören eigentlich zwei Seiten, und 50 Prozent von ihnen “gehören” nun mal den Medien. Wir sitzen mit unserem Hintern auf der Kante von zwei Stühlen, und wenn man uns einen davon wegzieht, dann ist es um uns geschehen. […]

Pressesprecher und Journalisten sitzen zwar beide in einem Boot – aber nicht im selben, und sie rudern auch nicht unbedingt in dieselbe Richtung. Sich diese unterschiedliche Interessenslage immer wieder klar zu machen, ist vielleicht die wichtigste Grundregel, die Pressesprecher beachten sollten (Journalisten übrigens auch!).

Pressesprecher, die sich hauptsächlich als Spin Doctoren verstehen, sehen das vielleicht etwas anders. Ein Spin Doctor glaubt, er könne Journalisten dazu bringen, in dieselbe Richtung zu paddeln (nämlich in seine eigene). Das mag eine Weile gelingen und gut gehen, aber früher oder später werden die ersten Journalisten anfangen, in eine andere Richtung zu rudern, und dann können die Folgen um so heftiger sein – kaum ein Fall zeigt das deutlicher als das Beispiel Olaf Glaeseker.

Damit meine ich nicht die strafrechtlich relevanten Dinge, für die sich Glaeseker derzeit vor Gericht verantworten muss, sondern die Methode, mit der er Pressearbeit für seinen Chef, den ehemaligen Ministerpräsidenten und Bundes – präsidenten Wulff, geleistet hat. Ich glaube, das Scheitern von Christian Wulff lässt sich zumindest in Teilen als Scheitern seines Pressesprechers erklären.

Dabei hatte es danach zunächst gar nicht ausgesehen. Glaeseker war als Wulffs Sprecher in Hannover sehr erfolgreich. Seine Methode funktionierte dort wie geschmiert. Alle ruderten in dieselbe Richtung – in Glaesekers Richtung.

Lehren aus der Methode Glaeseker

Welche Methode war das eigentlich, die “Methode Glaeseker”? Die beste Antwort auf diese Frage habe ich bei denen gefunden, für die sie erdacht war und auf die sie angewendet wurde (also die Journalisten): Sie waren voll des Lobes über Glaeseker. Hier einige Zitate aus Glaeseker-Porträts, die anlässlich von Wulffs Wahl zum Bundespräsidenten erschienen: Darin wird er beschrieben

• als “Wulff-Macher” und “guter Trickser” (Welt),

• als “Präsidenten-Flüsterer und mächtiger Strippenzieher” (Berliner Kurier),

• ja als “Inbegriff eines guten Sprechers” (Bild-Zeitung).[…]

Kurz nach Wulffs Wahl zum Bundespräsidenten im Sommer 2010 schwärmte die “Süddeutsche Zeitung” für Glaesekers Methode: “Glaeseker erfand als klassischer Spin Doctor seinen Chef neu und machte aus dem biederen Osnabrücker Rechtsanwalt zwischenzeitlich den beliebtesten Politiker Deutschlands, indem er jedes Detail und jeden Medienkontakt kontrollierte, ohne selbst öffentlich zu agieren.” […]

Das Erstaunliche und Bemerkenswerte an diesen Charakterisierungen Glaesekers ist zweierlei: Zum einen das Berufsbild, das da unserer Zunft der Pressesprecher verpasst wird. Nicht wenige Journalisten scheinen sich den ideellen “Gesamtpressesprecher” als einen Tausendsassa vorzustellen, der sie nach Strich und Faden austrickst, der sie nach Gutsherrenart mit Informationen versorgt (oder auch nicht), der erfolgreich Legenden bildet und seinen Chef “neu erfindet”.

Zum anderen gibt der Beifall für die Methode Glaeseker auch einen unfreiwilligen Einblick in das Selbstverständnis von Journalisten. Sie applaudieren einem Menschen dafür, dass er es geschafft hat, ihnen einen Bären aufzubinden! […]

Glaeseker mag ein effizienter Strippenzieher und “guter Trickser” gewesen sein. Aber war er auch ein guter Pressesprecher, der sein Handwerk beherrscht hat? Ich habe da meine Zweifel. Die Kunst eines Pressesprechers erweist sich nicht zuletzt in der Krisenkommunikation. […]

Mehr als eine unbeholfene Pressemitteilung, in der die ersten Meldungen der “Bild”-Zeitung in aggressivem Ton rundheraus bestritten wurden, brachte er [im Moment der größten Krise] nicht zustande – danach tauchte Glaeseker bekanntlich ab und ließ seinen Anrufbeantworter sprechen.

Was zeigt uns dieses Drama? Erstens: Ein erfolgreicher Spin Doctor macht noch keinen guten Pressesprecher. Zweitens: Ein guter Pressesprecher muss sich nicht unbedingt ein Beispiel an der “Methode Glaeseker” nehmen.

Ich bin da ganz konservativ: Ich glaube an den Erfolg solider, seriöser und redlicher Pressearbeit. Will sagen: Pressesprecher tun gut daran, sich mehr mit der wirklichen Wirklichkeit zu beschäftigen als damit, eine unwirkliche Wirklichkeit kreieren zu wollen, die ihnen früher oder später als Legende auf die Füße fällt. […]

Was muss ein Pressesprecher können?

Was muss ein Pressesprecher können? Erstens: Er muss sprechen können. Zweitens: Er muss schweigen können. Beides gehört zum Handwerk. Damit ein Pressesprecher beides kann – an der richtigen Stelle sprechen und an der richtigen Stelle schweigen – muss er vollständig informiert sein. Pressesprecher sind immer nur so gut, wie sie informiert sind. Ein Pressesprecher muss 100 Prozent wissen, auch wenn weniger als 100 Prozent davon für die Öffentlichkeit bestimmt sein sollten. Getreu der Devise: Alles, was ein Pressesprecher sagt, muss wahr sein, aber nicht alles was wahr ist, muss er auch sagen! […]

Was sollte ein Pressesprecher nicht tun? Er soll Politik “verkaufen”, aber nicht selber machen. Er sollte sich nicht zu wichtig nehmen in dieser “Republik der Wichtigtuer”, von der die viel zu früh verstorbene Journalistin Tissy Bruns gesprochen hat. Er sollte sich darüber klar sein, dass er eine wichtige Funktion hat und große Verantwortung trägt. […]

Woran erkennt man einen guten Pressesprecher? Schwer zu sagen. Vielleicht hilft uns eine Anleihe bei Hans-Joachim Friederichs. Der hat sich zwar nie gefragt, woran man einen guten Pressesprecher erkennen kann – warum auch? –, wohl aber einen guten Journalisten. “Einen guten Journalisten”, so Hajo Friederichs in seinem berühmt gewordenen Satz, “erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.”

Mein Versuch, diese Weisheit auf Pressesprecher zu übertragen, lautet wie folgt: “Einen guten Pressesprecher erkennt man daran, dass er nicht gemein ist zu Journalisten, auch nicht zu einem schlechten Journalisten; dass er überall richtig spricht, aber nirgendwo wichtig tut.”