Sieben Tools für das Wahlkampfjahr 2017

Kampagne

Jedem seine Botschaft: Über 1.000 verschiedene Zielgruppen soll Donald Trump im Wahlkampf angesprochen haben. Big Data sei Dank. Zum Vergleich: Bei Obama waren es neun. Und bei uns? Der deutsche Datenschutz verhindert eine Kopie des Trump-Modells, aber Targeting wird auch hierzulande eine wichtigere Rolle spielen als bisher. “Was wir nicht machen werden, ist zu hinterfragen: Hast du eine Katze und isst gerne Spinat – und können wir daraus ziehen, ob du möglicherweise CDU-affin bist? Aber wir wollen verschiedene Zielgruppen bewusst mit unterschiedlichen Themen und auch einer anderen Aufmachung ansprechen”, definiert Isabelle Fischer, Pressesprecherin der NRW CDU.

Zu diesem zielgerichteten Marketing gehören auch “dark posts” bei Facebook. Solche bezahlten Posts werden nur von bestimmten Zielgruppen gesehen, ohne dass sie in der Chronik der eigenen Seite erscheinen. Konkret heißt das: 10.000 potenzielle Wähler in Schleswig-Holstein bekommen einen Post zu Kitagebühren angezeigt, weil das zu ihrer aktuellen Lebenssituation passt. 5.000 weitere Schleswig-Holsteiner sehen einen ganz anderes Posting zum Thema Industriepolitik. Die persönliche Ansprache macht dieses Anzeigenformat wirkungsvoll.

Ein Individualisierungstrend, der sich auch beim Einsatz von Messenger-Diensten im Wahlkampf zeigt. Die Parteien setzen insbesondere bei ihrer internen Kommunikation auf Dienste wie Whatsapp oder Facebook-Messenger. Der Grund ist die direkte Erreichbarkeit und die hohe Abrufzahl, erklärt die Expertin für digitales Marketing, Eva Hieninger: “Solche persönlichen Nachrichten sind positiv konnotiert, weil sie direkt neben den Nachrichten von unseren Freunden oder der Familie auftauchen. Dadurch ist die Bindung zum Absender auch höher.” Für Wahlkampfstrategen liegt der Fokus bei diesem Tool auf der Mobilisierung von Mitgliedern. Das gleiche gilt bei Newslettern.

Potenzielle Wähler sollen auf anderen Kanälen angesprochen werden. Facebook ist dabei ein Standardinstrument. Snapchat und Instagram sind vor allem für den Modernitäts-Appeal einer Kampagne entscheidend. Trotzdem gilt für den Pressesprecher der NRW SPD, Christian Obrok: “Die Inhalte bestimmen den Kanal und nicht umgekehrt. Instagram ist spannend, weil politische Kommunikation dort ganz anders funktioniert. Diese anderen Gesetze haben großes Pozential.” Twitter ist aufgrund der Nutzerstruktur zum reinen Informationskanal geworden.

Doch trotz aller Digitalisierung setzen die Parteien in diesem Jahr besonders auf ein analoges Wahlkampf-Instrument: den Tür-zur-Tür-Wahlkampf. “Der persönliche Kontakt ist der wertvollste. Es ist ein Unterschied, ob ich auf einem Marktplatz stehe und Wahlkampf-Flyer verteile oder bei den Menschen an der Haustür klingele”, meint Benjamin Jopen, Wahlkampfmanager von Bündnis 90/Die Grünen in NRW. Um zu wissen, wo sich das Klingeln lohnt, haben die Parteien in umfangreiche Wählerpotenzialanalysen investiert. Die CDU hat zur Unterstützung eine App entwickelt: “Connect 17” leitet Wahlkämpfer per GPS von Haus zu Haus. Gleichzeitig können Fragen von Bürgern, also wichtige strategische Informationen, direkt in die App aufgenommen werden. Kampagnenmanager Mario Voigt spricht von einer “Mischung von klassischem Campaigning und digitalem Wahlkampf”.

Diese Verbindung von Online- und Offline-Wahlkampf ist der stärkste Trend im Wahljahr 2017. Ein Beispiel dafür sind auch Guerilla-Aktionen, wie wir sie bereits im Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus gesehen haben. Der Kopf hinter den erfolgreichen Aktionen der FDP ist der Wahlkampfmanager Christian Renatus, der auch für die Kampagne zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein verantwortlich ist: “Wenn es eine Situation oder Möglichkeit gibt, muss man einfach schnell und mutig reagieren. Wichtig ist, dass dabei immer der Inhalt im Vordergrund steht: Nicht allein die Inszenierung zählt, sondern die Botschaft.”

Von Social Bots und dem gezielten Einsatz von Fake News haben sich alle Parteien distanziert – bis auf die AfD. Auf die Interviewanfrage für diesen Artikel hat die Partei nicht reagiert. Dabei ist ihr Einfluss online sehr groß, ordnet der Politikberater Martin Fuchs ein: “Die Kreis- und Ortsverbände sowie die einzelnen Kandidaten sind sehr präsent und sichtbar auf Face­book. Sie sprechen mit ihren Inhalten eine spitze Zielgruppe an, die sie klar adressieren.”

Da sein, wo die Menschen sind – das scheint für das Campaigning von allen Parteien zu gelten: egal, ob analog beim Haustürwahlkampf oder digital im Netz.

Wahlkampftrends im Überblick

1. Gamification

Hier macht man sich einen spielerischen Ansatz zunutze, um die ­Mitglieder und Anhänger der Parteien zu motivieren. Die Idee: landes­weite Challenges in Nordrhein-­Westfalen und Schleswig-Holstein rund um Fragen wie: ­Welches ­Parteimitglied hat die meisten Haustürwahlkämpfe gemacht? Oder wer hat die meisten Schritte bei Wahlkampftouren zurückgelegt und damit den Weg in Richtung Wahlsieg geebnet?

2. Targeting

An der zielgruppenspezifischen Ansprache auf allen Kanälen kommt im Wahljahr 2017 keiner vorbei. Auch wenn Big-Data-Wahlkampf und Microtargeting aus datenschutzrechtlichen Gründen in Deutschland nicht so eine große Rolle spielen werden wie in den USA, gehört die stärkere Ausdifferenzierung von Zielgruppen zu den wichtigen Wahlkampf­techniken. Die Parteien setzen dabei teilweise immer noch auf klassische Zielgruppenana­lysen anhand von Sinus-Milieus, das heißt Typisierung der Menschen nach sozialer Lage und Grundorientierung. Die Grünen in NRW gehen aber zum Beispiel einen Schritt weiter und greifen auf eigene Forschungsarbeit zu Wähler­potenzialen zurück. Das erlaubt ihnen nicht nur ein geospezifisches, sondern auch semantisches Targeting, weil man weiß, wie Menschen gerne ­angesprochen werden.

3. Messenger

Ob Whatsapp, Threema oder Facebook -Messenger – diese Dienste ­gehören 2017 zu den wichtigsten Wahlkampftools. Der Vorteil von Messenger-­Diensten: Die Bindung ist höher als bei anderen Social-Media-Kanälen, weil die Nachrichten der Partei direkt neben den privaten Nachrichten von Freunden auftauchen. Der Fokus liegt dabei auf der Mobilisierung von Partei­mitgliedern und Unterstützern und dient nicht in erster Linie dazu, neue Wähler zu generieren.

4. Google Adwords

Wenn Wähler im Netz nach bestimmten Themen rund um die Wahl suchen, dann ist das eine Chance für ­Parteien, mit Google Ad­words ihre Botschaften unterzubringen. Diese Werbeanzeigen in der Google-Suchmaschine ­können Wahlkreis-­genau ausgesteuert werden und sind deswegen für die Landtagswahlen besonders interessant. Auch Youtube-Videos der Parteien und Kandidaten können damit eine bezahlte, größere Reichweite bekommen. Einige Parteien, wie die Grünen und die FDP, haben in den vergangenen Wahlkämpfen mit diesem Tool schon sehr positive Erfahrungen gemacht und wollen es ­deswegen im Vorfeld der Landtagswahlen in Nordrhein-­Westfalen und ­Schleswig-Holstein ­ausbauen.

5. Tür-zu-Tür-Wahlkampf

Der Klassiker des Wahlkampfs erlebt ein Revival. Im digitalen Zeitalter hat der direkte Kontakt zwischen Kandidat und Wähler einen ganz neuen Wert und ist an der Haustür auch noch einmal intensiver als an einem Infostand auf dem Marktplatz. Unterstützt wird dieses Offline-Wahlkampf­instrument mit digitaler ­Technik. Ein ­Beispiel dafür ist die Canvassing-App der CDU “Connect 17”, die die Effizienz des Tür-zu-Tür-Wahlkampfs erhöhen soll.
 

6. Guerilla-Aktionen

Eine Offline-Aktion, die online zum viralen Trend wird: Wie das geht, hat die ­Berliner FDP im Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus ­vorgemacht: Die Partei ist kurz nach dem­ ­Brexit-Votum mit einem Transporter durch ­London gefahren und hat auf ­Werbetafeln Start­-ups eingeladen, einfach nach Berlin zu kommen. Fotos von dieser Aktion ­wurden weltweit millio­nenfach geteilt und haben der FDP große Aufmerksamkeit verschafft. ­Solche Guerilla-Aktionen sind allerdings schwer planbar. Bei Erfolg sind sie aber ein Wahlkampf­tool, das absolut dem Zeitgeist entspricht.

7. Facebook, Instagram, Snapchat und Co.

Ein Wahlkampf im Jahr 2017 hat ohne So­­cial-Media-Strategie ­kaum Aussicht auf Erfolg. Dazu gehört auch, die ­verschiedenen Kanäle ­strategisch mit ­unter­schiedlichen ­Inhalten zu bespielen. Für alle ­Parteien ist ­Facebook mit 33 ­Millionen Nutzern in Deutschland der wichtigste Kanal. Aber auch ­Instagram ist aufgrund ­seiner ­Ästhetik ein spannendes Tool für die moderne ­politische ­Kommunikation. Snapchat hat für die ­Parteien keine ­Priorität, weil mit ­diesem Social-Media-Kanal nur eine sehr spitze, junge Zielgruppe erreicht ­werden kann. ­Twitter wird mehr und mehr zum Business-­Netzwerk. Das bedeutet, dass dort wenig Wähler, ­sondern eher Medien­vertreter und andere ­Entscheider aus Politik und ­Wirtschaft ­angesprochen werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 118 – Thema: Bundestagswahl 2017. Das Heft können Sie hier bestellen.