Seien Sie flexibel!

Medien

Das Nonplusultra des vielgeladenen Gastes ist die Fähigkeit, zu allem etwas sagen zu können. Doch Obacht! Nicht die multithematische Plaudertasche ist gefragt, sondern die Fachkraft. Sie brauchen ein Fachgebiet, zum Beispiel Wind­energie oder Familienrecht, um sich als Talkshowgast zu qualifizieren. Auf dieser Basis entfächern Sie Ihr Themenpotpourri wie der Pfau sein Rad. Es ist ratsam, vom Boulevard bis zur “FAZ” alles zu lesen, um ein möglichst breites Spektrum an Wissen darbieten zu können und um über Stichworte wie “Helene Fischer” und “Porsche Panamera” Volksnähe beweisen zu können.

Eine weitere wichtige Fähigkeit ist Flexibilität, wenn Sie feststellen, dass Sie in der falschen Sendung sitzen oder die Sendung thematisch nicht das bietet, was sie versprach. Wer sich innerlich auf “Grexit” eingestellt hat, in Nullkommanix aber auf Kinderbetreuung oder Ölkatastrophe umsteigen kann, hat sich nicht nur selbst bewiesen, wie großartig er ist. Im Falle eines Sendung-aus-dem-Ruder-Laufens wird ihm auch der ewige Dank der Redaktion gewiss sein und damit die Gewissheit, bald wieder eingeladen zu werden.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Standpunktflexibilität. Je mehr Sie als Politiker bereit sind, Ihre Meinung anzupassen, desto öfter können Sie mit einer Einladung rechnen. Ein Beispiel: Als ausgesprochener Gegner von TTIP sitzen Sie sonntags bei Günther Jauch. Im Laufe der Woche aber gibt Sigmar Gabriel die Losung aus: “Die SPD findet TTIP toll!” Wenn Sie jetzt mit den Zeichen der Zeit gehen, können Sie am Mittwoch schon bei Anne Will zu sehen sein und die Chancen von TTIP preisen!

Ein ganz wichtiger Punkt ist auch: Lernen Sie flüssig zu sprechen! Wer zuviel “äh” und “ähm” sagt, wer wie Edmund Stoiber den Weg vom Hackeschen Markt zum Berliner Hauptbahnhof über Dresden und Swinemünde erklärt, wird nur dann eingeladen, wenn es sich thematisch wirklich nicht vermeiden lässt. Also etwa anlässlich seiner Pensionierung.

In jedem Fall ist derjenige von Vorteil, der bereit ist, sein Privatleben dem öffentlichen Auftritt unterzuordnen und vorzeitig von Hochzeits- und Urlaubsreisen oder aus dem Krankenhaus zurückzukehren. Auch Ursula von der Leyen hat es mit dem Bruch der Zusage an ihre Familie, am Wochenende keine Termine wahrzunehmen, schon oft doch noch ins TV-Studio geschafft.

Unbedingt sollten Sie Witze oder Krawallvokabular zur Verfügung haben. Nehmen wir Hellmuth Karasek. Ein Mann, der, nun ja, immer wieder eloquent ist. Und das, weil er, wenn er inhaltlich nichts beizutragen hat, immerhin einen Witz beisteuern kann.

Anekdoten sind die Krücke derer, die sich keine Witze merken können und kommen auch wegen ihrer metaphorischen Bedeutung bei den verantwortlichen Redakteuren gut an. Aber vermeiden Sie, von Ihren Kindern zu erzählen! Geschichten von fremden Gören will keiner hören!

Beim Krawallvokabular ist Vorsicht geboten. Es liegt nicht jedem. Und kommt auch nicht aus jeder Mundhöhle passgenau hervor. Wer aber Gefallen daran findet und mit dem Image der Krawallschachtel gut leben kann, ist ein sicherer Kandidat auf der Gästeliste. Dabei gilt es, Worte zu wählen, die den Regisseur kurzzeitig in Schockstarre versetzen, die aber noch so TV-tauglich sind, dass sie als fröhliche Spontan-Eruption eines interessanten Gastes durchgehen können und somit Aufmerksamkeit bringen. Die Garantieformel für Krawall: So lange das Moment des Aufregens größer ist als das des Fremdschämens gewinnt die Aufmerksamkeit. Und darum geht es am Ende allen. Aufmerksamkeit ist die Währung der Stunde, die Währung der Sendeverantwortlichen und die Ihrige. Mit diesem Sieben-Punkte-Plan wird sie Ihnen gewiss sein!

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Denken. Das Heft können Sie hier bestellen.