Politische Meinungsbildung à la Facebook

Praxis

Es waren nur 17 Worte und ein Hashtag. Doch diese reichten, um die drittgrößte politische Facebookseite Hessens lahmzulegen. Während der Frankfurter #blockupy-Proteste kommentierte auch Die Partei Hessen die Demonstration auf Facebook. Obwohl das Posting noch nicht einmal übermäßig scharf formuliert war, fühlten sich wohl einige Nutzer davon beleidigt und meldeten es als Verstoß gegen die Facebook-AGB. Kurz darauf war nicht nur das Posting verschwunden, sondern auch die gesamte Facebookseite des hessischen Landesverbands der Partei deaktiviert.

Foto: Screenshot

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In einer ersten standardisierten Nachricht wurde eine vierwöchige Facebook-Sperre angekündigt. Diese betraf nicht nur die Seite, sondern auch gleich das private Profil des Seiten-Administrators.

Der Protest gegen dieses überharte Vorgehen ließ nicht lange auf sich warten. Schnell berichteten erste Medien über die temporäre Löschung. Facebook reagierte einige Tage später, entschuldigte sich und stellte die Seite wieder her. Doch was wäre passiert, wenn die Medien nicht so breit darüber berichtet hätten?

In der Vergangenheit wurden in Deutschland immer wieder Facebookseiten temporär deaktiviert, z.B. von der NPD. Die Löschung der Seite der Satirepartei Die Partei traf nun aber meines Wissens erstmals eine demokratische Partei. Ich halte das Vorgehen von Facebook für einen extrem harten Eingriff in die politische Meinungsbildung.

Selbstverständlich hat jeder Facebook-Nutzer den Spielregeln (AGB) des privaten Netzwerks bei der Anmeldung zugestimmt. Doch was legitimiert Facebook, in die freie und demokratische Willensbildung einzugreifen – für die sich Facebook im Übrigen selbst rühmt?

Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass wir dringend eine gesellschaftliche Debatte darüber benötigen, wie wir in Zukunft im digitalen Raum miteinander streiten, diskutieren und Meinungen bilden wollen. Politik, Medien und Gesellschaft müssen sich bewusst sein, dass Demokratie in Zukunft immer stärker auch digital stattfinden wird – mit allen Vor- und Nachteilen. 

Ich bin immer noch ein großer Fan von Facebook, denn dort können Politiker Zielgruppen ansprechen, die sie auf anderen Wegen nicht mehr erreichen. Das ist Politikvermittlung auf niedrigschwelligem Niveau. Aber die Lösch-Aktion hat meine Begeisterung getrübt. Neben der bereits anlaufenden Debatte über Meinungssteuerung via Algorithmen ist es jetzt an der Zeit, gemeinsam mit Facebook darüber zu diskutieren, welchen Einfluss das Netzwerk auf die deutsche Politik nimmt, welche Verantwortung es dabei hat und warum sich freie Meinungsäußerung und Satire nicht mit selbstdefinierter Zensur vertragen.

Die Debatte ist eröffnet!