Neue Perspektiven? Fehlanzeige!

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Es sind wahrlich nicht die einzigen Bücher, die seit dem rasanten Aufstieg des US-Präsidenten ab 2007 über ihn geschrieben worden sind. Es sind nicht einmal die einzigen Memoiren eines engen Vertrauten. Der Kampagnenmanager der ersten Kampagne, David Plouffe, hat bereits 2009 seine Erinnerungen niedergeschrieben. Diesem Umstand fallen beide neuen Bücher mehr oder weniger zum Opfer. 

Es ist nicht so, als hätten die beiden Autoren keine eigenständige Perspektive beizutragen: Reggie Love war so eng am Präsidenten dran wie kein anderer. Er war derjenige, der den Präsidenten Tag und Nacht begleitete, vom Weckruf bis zur Übergabe des letzten Briefingbuchs vor dem Schlafengehen. Doch wer sich von der Lektüre eine neue Perspektive auf die Psyche des mächtigsten Mannes im Staat erwartet, wird enttäuscht.

Selbst wer sich nur erhofft, nette und neue Anekdoten über den Menschen Barack Obama zu lesen, wird nicht völlig glücklich werden. Der Autor ist ein ehemaliger College Athlet und hat das Buch – so scheint es – ohne Ghostwriter geschrieben. Und das merkt man leider. Das Buch versucht, mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen und scheitert an diesem Anspruch. Love weiß, dass er das Buch nicht als Memoiren eines ehemaligen Sportlers schreibt, auch wenn der Titel “Power Forward” das andeutet. Dennoch versucht er sich immer wieder an amerikanisch-philosophischen Lebensweisheiten (“Don’t be afraid to laugh about yourself”, “Mama knows best”, “75 per cent of life is just showing up”).

Er weiß, dass Leser Geschichten über seine Zeit mit dem Präsidenten erwarten. Die bekommen sie zwar, aber so verkürzt und oft so schlecht erzählt, dass man das Gefühl hat, dem Buch würden Seiten fehlen. Dass das Buch nur 224 Seiten umfasst, unterstützt dieses Sentiment. 

Vielleicht ist der direkte Vergleich mit Axelrod unfair, denn bei der Lektüre von “Believer” merkt man, dass Axelrod sein ganzes Leben lang Geld mit dem Umgang mit Sprache verdient hat. Seine Karriere startete er als Journalist in Chicago, bis er auf die Kampagnenseite wechselte, in den 80ern für Kandidaten Werbung konzipierte und später als General Consultant arbeitete. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, eine Präsidentschaftskampagne zu beraten, wurde sein Traum 2007 mit seinem Freund und Kunden aus früheren Kampagnen, Barack Obama, endlich wahr.

Axelrod hält sich trotz seiner langjährigen Erfahrung nicht allzulange mit der Zeit vor 2007 auf, weil auch er weiß, was seine Leser erwarten. Wer noch nie ein Buch über Obamas unglaublichen Aufstieg gelesen hat, wird dann auch nicht enttäuscht. Detailreich beschreibt er die Vorwahl gegen Hillary Clinton und die Wahl gegen John McCain.

Doch Axelrod ist eben nicht der einzige, der diese Ereignisse beschrieben hat und Leser hoffen vergeblich, dass er seine einzigartige Perspektive auf die Kampagne, als Erschaffer der Slogans “Yes We Can”, “Hope”, “Change” und “Forward” – tatsächlich wird Obamas Slogan von 2012 “Foward” nicht einmal erwähnt – beschreibt. Dementsprechend müssen sich Leser durch das mittlere Drittel des Buchs kämpfen, um zu weniger beleuchteten Aspekten der Obama-Ära zu gelangen: Axelrods Erinnerungen an die gemeinsame Zeit im Weißen Haus (Axelrod war Senior Advisor von 2009 bis 2011) und die Re-Election-Kampagne. Auch hier versucht Axelrod seinen Text für den Massenmarkt zu schreiben und geht deshalb leider wenig mit strategischen Überlegungen in die Tiefe, doch zumindest ist er der erste enge Berater, der diese Zeit beleuchtet.

Das ist nicht der einzige Grund, warum Axelrods Buch dennoch lesenswert ist. Es hat auch etwas, was Loves Buch völlig fehlt: ein Thema. Nicht penetrant, aber doch zieht sich der Titel durch das Buch. Axelrods Text ist auch eine großflächige Verteidigung der Ära Obama. Der Präsident sei ein Believer, der nicht gewählt werden wollte, um wiedergewählt zu werden, sondern um etwas zu erreichen. Während Berater – auch Axelrod selbst – in vielen Fragen, von Gesundheitsreform abwärts, auf Umfragen, Beliebtheitswerte und andere politische Kosten schielten, wollte Obama mit seinem politischen Kapital gestalten. Doch auch gegenüber den enttäuschten Progressiven verteidigt er den Präsidenten: Er sei nicht nur ein Believer, sondern auch ein Pragmatiker. Nicht jedes Ideal sei die politischen Kosten wert gewesen.

Auch wenn Axelrod zwischenzeitlich enttäuschend flach bleibt und man sich wünscht, er hätte einen stärkeren Fokus auf seine Zeit im Weißen Haus und auf die Re-Election gelegt, gibt er doch spannende neue Einblicke, die Love auch hätte bieten können – hätte er sich bloß von einer professionellen Schreiberin helfen lassen.

Reggie Love, Power Forward. My Presidential Education. Publisher: Simon & Schuster (February 3, 2015)

David Axelrod, Believer. My Fourty Years in Politics. Penguin Press (February 10, 2015)