Kanzleramt statt Cornwall

Der TV-Sender Sat.1 hat die Politik für sich entdeckt. Im Frühjahr 2013 nahm er mit der Satire „Der Minister“ den Aufstieg und Fall von Karl-Theodor zu Guttenberg aufs Korn, ein Jahr später wurde in „Der Rücktritt“ die Demission von Bundespräsident Christian Wulff als Doku-Drama wiederaufbereitet.

Am Dienstagabend nun tauchte der Sender mit „Die Staatsaffäre“ von Regisseur Michael Rowitz erneut in die (Un-)Tiefen der deutschen Staatsführung ab – diesmal in Form einer heiteren Liebeskomödie. Doch wer sich davon einen fiktiven oder gar realen Einblick in das Politikgeschehen erhoffte, der wurde enttäuscht. Das politische Berlin ist in diesem Film nur die Kulisse und der Ausgangspunkt für die banale Handlung einer seichten TV-Schmonzette.

„Frau Tüchtig“

Anna Bremer (Veronica Ferres) hat für sich die perfekte Work-Life-Balance gefunden: Sie lässt den Teil mit dem Privatleben einfach weg. Ihr Job bietet dafür zugegebenermaßen auch wenig Zeit, schließlich ist Anna Bundeskanzlerin – und als solche rund um die Uhr für Sicherheit und Wohlergehen Deutschlands verantwortlich. In der Öffentlichkeit genießt sie das Image als „Frau Tüchtig“. Ein europäisches Energieabkommen soll der große Wurf ihrer Amtszeit werden, doch der mühsam erarbeitete Konsens gerät in Gefahr, als der französische Präsident nach einem plötzlichen Anfall geistiger Umnachtung den Elysée-Palast räumen muss.

Sein Nachfolger Guy Dupont (Philippe Caroit) erweist sich als zäher Verhandlungspartner – und als alter Bekannter Annas: Vor 25 Jahren lernten sich die beiden am Abend des Mauerfalls in Berlin kennen und verbrachten eine einzige leidenschaftliche Nacht miteinander. Klar, dass ihre Gefühle füreinander trotz der politischen Gegensätze neu entflammen. Doch ihrem Glück steht nicht nur der drohende Skandal, sondern auch der machthungrige Minister Neumann (Stephan Kampwirth) im Weg.

Wodka-Trinker und Casanovas

Bei dieser absurd-kitschigen Story könnte man fast auf die Idee kommen, dass sich dahinter eine Satire versteckt. Doch von satirischen oder parodistischen Elementen ist in der filmischen Umsetzung leider keine Spur. Stattdessen gibt es jede Menge Stereotype und Humor aus der Holzhammerabteilung. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das auf einer Zusammenkunft der EU-Regierungschefs, wo nicht nur jede Pointe mindestens einmal wiederholt wird, sondern auch nahezu alle Länderklischees erfolgreich untergebracht werden.

So fällt der polnische Vertreter  vor allem durch seinen Wodka-Konsum auf, der Italiener ist natürlich auffällig klein und ein Casanova. Aktuelle politische Themen wie die NSA-Abhöraffäre, die Energiewende oder die deutsche Führungsrolle in Europa werden zwar angeschnitten, spielen für die Handlung aber keine Rolle. Mit der Realität hat der Film ohnehin nur sehr wenig zu tun. Auch die Figur der Anna Bremer hat bis auf die Geste der „Merkel-Raute“ kaum Gemeinsamkeiten mit der echten Bundeskanzlerin.

Politik geht in „Die Staatsaffäre“ sehr einfach. Auf der einen Seite steht die mutige und idealistische Regierungschefin, die letztlich erfolgreich um ihr rechtschaffenes Projekt kämpft. Ihr Widerpart Neumann dagegen denkt nur an die eigene Karriere, spinnt Intrigen und nimmt die Rolle des klassischen Bösewichts ein. Kein Vergleich zu den nuancierten Darstellungen von politischen Machtspielen in US-Qualitätsserien wie „House of Cards“ oder „The Wire“. Aber diesen Anspruch hat der Fernsehfilm auch gar nicht.

Dieses vertrackte Staatsoberhaupt-Ding

Spätestens mit der Wiedervereinigung von Anna und Philippe zeigt sich, dass das Politikszenario nur als Aufhänger für eine romantische Komödie nach Hollywood-Vorbild dient. Und als solche unterhält der Film auch leidlich. Zwar stimmt die Chemie zwischen den Hauptdarstellern nicht hundertprozentig. Philippe Caroit überzeugt aber trotzdem als charmanter Staatsmann von Welt und Veronica Ferres spult routiniert ihre bekannte Rolle als Darling der Nation ab. Das Arsenal der mehr oder minder witzigen Nebenfiguren reicht von amüsant (der schüchterne verliebte Bodyguard) über nervig (der trottelige speichelleckende Assistent Neumanns) bis hin zu irritierend (der Europa-kritische Schwager, der am Ende die entscheidenden Ratschläge gibt).

Nach allen Spielregeln des Genres steuert der Film auf ein Happy End zu. Die Kanzlerin, für die zu Beginn noch der Job eindeutig vor Liebe und Privatleben geht („Mein Land braucht mich“), findet erst in der Beziehung mit Dupont ihr persönliches Glück. Für das Dilemma, dass sie damit ihre Lebensaufgabe aufs Spiel setzt, hält das Drehbuch „vielsagende“ Sätze wie diesen parat: „Dieses Staatsoberhaupt-Ding ist wirklich vertrackt“. Am Ende löst sich nach Rosamunde-Pilcher-Art natürlich alles in Wohlgefallen auf. Die eigentlich interessantere Frage, nämlich wie die beiden nach Bekanntwerden der Affäre mit den (politischen) Folgen umgehen, bleibt komplett außen vor – vielleicht ein Thema für das nächste TV-Event …