Im Rausch von Tweets und Eilmeldungen

Praxis

Medien machen Politik. Sie beeinflussen nicht nur die Meinungsbildung in der Bevölkerung, sondern auch die Arbeit von politischen Entscheidungsträgern. Die Digitalisierung hat das Tempo enorm erhöht. Durchschnittlich 130 neue Geschichten veröffentlicht allein “Spiegel Online” täglich – rund um die Uhr und von überall auf der Welt.

Dies führt dazu, dass Politiker sich in einem nicht abreißenden Strom von Informationen wiederfinden. Die Zeiten, in denen der wirtschaftspolitische Sprecher der Regierungsfraktion morgens ausführlich die Wirtschaftsteile führender nationaler Tageszeitungen wälzte, sind vorbei. Im Minutentakt erhält er nunmehr Tweets und Eilmeldungen auf seinem Desktop, Tablet, Smartphone oder der intelligenten Uhr. Die größte Herausforderung ist, dabei den Blick für das Wesentliche nicht zu verlieren.

Umgekehrt machen Politiker auch Medien. Der steigende Bedarf und die Knappheit moderner Meldungen führen dazu, dass Kurzstatements oder Tweets von Politikern immer attraktiver werden. Wenn @RegSprecher angetwittert wird, ist Steffen Seibert dazu aufgerufen, sich in Sekundenschnelle gegenüber seinen 639.000 Followern zu den neuesten Entwicklungen in der Welt zu positionieren. Die Jagd der Medienmacher nach den besten O-Tönen zielt meist eher auf die bekanntesten Köpfe als auf die renommiertesten Experten zum jeweiligen Thema ab. So landen bei Spitzenpolitikern täglich hunderte von Medienanfragen zu den verschiedensten Themen. Bleibt dabei noch Zeit für Reflexion und Hintergrundrecherchen?

Diese Dynamik ist nicht unproblematisch, denn die ungefilterte Informationsflut gepaart mit der Erwartung, dass Politiker sich innerhalb kürzester Zeit zu verschiedensten Themen positionieren, birgt die Gefahr, dass politische Entscheidungsträger von Experten zu profillosen Generalisten werden und politische Debatten ihre Tiefe einbüßen.

Was also tun, um die unkontrollierte Verzahnung von Medien und Politikern in der Rasanz des digitalen Zeitalters zu durchbrechen? Die Antwort liegt darin, Nachrichten zu filtern und in ausgewählten O-Tönen klare Kante zu zeigen. Zugegeben: ein ambitioniertes Vorhaben. Ein persönlicher Medienfilter, aktiv gepflegt, kann helfen. In Anbetracht der immer geringeren Zeitfenster zur Informationsbeschaffung sind qualitative Pressemonitorings, die Themen objektiv zusammenfassen und die gewichtigsten Meinungen abbilden, ein nützliches Tool. Dieses kann von Dienstleistern auf die Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten werden. Großer Beliebtheit erfreut sich auch wieder der morgendliche, qualitativ hochwertige Pressespiegel im Deutschlandfunk. Eine solche professionelle Herangehensweise reduziert die Menge des Lesestoffs drastisch und schafft Zeit für ausführliche Analysen und Hintergrundberichte auf dem persönlichen Fachgebiet.

Auch bei den unzähligen Anfragen, vor allem auf lokaler Ebene, gilt es zu filtern. Denn die eigene Profilierung leidet, wenn das Expertentum nicht klar zu verorten ist, da man sich zu vielen Themen gleichzeitig äußert. Für Entscheider wird es immer wichtiger, das eigene Profil zu schärfen. Das verleiht Wiedererkennungswert und verhilft in der Politik zu Wählerstimmen – und im Lobbybereich zu einem besseren Netzwerk.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe politik&kommunikation II/2016 Leadership. Das Heft können Sie hier bestellen.