Eine verschwiegene Branche

Public Affairs

Als Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Spätsommer 2014 eine Krise nach der anderen ereilte, sorgte das bei Hauptstadtjournalisten für mehr Gesprächsstoff als bei jenen, die sich schon seit Jahren und nahezu ausschließlich mit Rüstungspolitik beschäftigen. Denn die sind sich in ihrem Urteil über die neuen “Skandale” überraschend einig: Alles schon lange absehbar, wenn nicht gar vorhersagbar.

Sie schrieben schon über technische Mängel, als sich der Fokus der Öffentlichkeit noch fast ausschließlich auf die deutsche Beteiligung am Krieg in Afghanistan richtete. Damit ist schon viel gesagt über die Branchendienste in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, bei denen viele der Insider arbeiten: Sie sind in vielerlei Hinsicht ein Nischenprodukt – auch was die Wahrnehmung angeht.

In den vergangenen Ausgaben nahm p&k Branchendienste zu den Themen Gesundheit und Energie unter die Lupe. Multimilliarden-Euro-Märkte mit zig Akteuren. Die Verteidigungsbranche ist der Gegenentwurf. 33 Milliarden Euro, knapp zehn Prozent des Gesamtbudgets, stehen dem Verteidigungsministerium aktuell jährlich zur Verfügung. Das meiste davon wird allerdings für Personal, Pensionen und Verwaltung ausgegeben – nur rund sechs Milliarden Euro für Rüstung.

Dann ist da das Monopol beim Nachfrager, der Bundeswehr, und ein Oligopol bei den Anbietern. Hinzu kommt, was Georg Wilhelm Adamowitsch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, des größten deutschen Lobbyverbands der Branche, sagt: “Aufgrund der zum Teil sehr sensiblen Themen im Bereich von Sicherheit und Verteidigung ist die Informationslage natürlich deutlich eingeschränkter als beispielsweise in Fragen der Gesundheitspolitik.”

Zu den Platzhirschen zählt der Mittler Report Verlag in Bonn, der einen der drei maßgeblichen deutschen Branchendienste zum Thema herausgibt: die “Wehrwirtschaft”. Der Dienst erscheint alle zwei Wochen. Er wird per Mail oder Fax versandt und ist nur ein Teil des Verlagsprogramms – zu nennen wären da noch die Monatszeitschrift “Europäische Sicherheit und Technik” sowie das “Marine­Forum”: Beide Publikationen sind nach eigenen Angaben führend in ihrem Bereich. Der Verlag hat drei Geschäftsführer, einer von ihnen ist der promovierte Volkswirt Peter Boßdorf.

Wie der Name sagt, steht beim Branchendienst “Wehrwirtschaft” der technische Bereich im Fokus – Problemstellungen also, die derzeit öffentlich verhandelt werden. 15 Redakteure arbeiten im Verlag, “daneben auch viele Pensionäre, die lange bei der Bundeswehr waren”, sagt Peter Boßdorf. Die Redaktion bedient alle sieben Publikationen und “die Recherche läuft so, wie bei anderen Journalisten auch”. Viele Gespräche würden bei Fachmessen geführt, auf Firmenbesuchen und Presseterminen. In Berlin hat der Verlag einen Korrespondenten. Er beobachtet die politischen Prozesse im Verteidigungsausschuss und im Ministerium. “Berlin ist nur eine Facette”, so Boßdorf. Fixpunkt ist eher Koblenz, wo das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung sitzt. “Generell ist der Planungs- und Beschaffungsprozess in Deutschland sehr dezentral organisiert.”

Leser findet der Verlag vor allem in den Führungsstäben und Einrichtungen der Bundeswehr, in Rüstungsbehörden auf EU- und Nato-Ebene, im Parlament, bei Leitmedien und Forschungsinstituten, sagt Boßdorf. Über Abonnentenzahlen beim “Mittler Report Wehrwirtschaft” macht der Verlag keine Angaben. Die anderen Publikationen bewegen sich in einer Größenordnung zwischen 5.000 und 15.000 Exemplaren.

Wie relevant die Branchendienste sind, zeigt die Verbreitung der Griephan Briefe, des renommiertesten Dienstes in diesem Bereich. Montags erhalten 1.600 Leser den Brief, der über das Geschäftsfeld äußere und innere Sicherheit informiert. Die GDM Information Group verschickt ihren “Newsletter Verteidigung” dienstags an 6.500 Empfänger. Ein Verlagssprecher geht zudem davon aus, dass es etwa genauso viele Schwarzleser gibt. Auch bei den anderen Diensten dürfte eine Mail mehrere Leser erreichen.

Hans-Peter Bartels (SPD), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag, liest wenig Branchendienste. Er setzt “möglichst auf Quellen”, also auf direkte Kontakte. “Die Branche ist sehr gut vernetzt”, sagt er. Das mache sich vor allem an der Vielzahl von Konferenzen bemerkbar, allen voran die Münchener Sicherheitskonferenz. Auch Rüstungskonzerne seien meist mit Repräsentanzen in Berlin vertreten und suchten das Gespräch.

Ein Informationsdefizit gebe es demnach nicht zu beklagen, so Bartels, jedenfalls nicht bei den Akteuren der Branche. “Ich würde mir nur manchmal wünschen, dass sich Journalisten, die über Verteidigung und Rüstung berichten, mehr für Hintergrundinformationen interessieren würden”, sagt er. “Manchmal muss man die ja regelrecht hinterhertragen.”

Die wichtigsten Branchendienste im Überblick

Griephan Briefe

Die Griephan Briefe gelten, vor allem auf Grund ihrer langen Tradition, als Branchenführer. Seit 1967 erscheint die Publikation in Hamburg, inzwischen werden zwei von drei Briefen per Mail, nicht per Post, versandt. Versprochen werden “Insider-Hintergrund zum Rüstungsgeschäft, den Bundestagsausschüssen und Personalien sowie Analysen zur Sicherheit produzierenden Industrie”. Dazu erscheinen “griephan Special”-Schwerpunkthefte. Außerdem gibt es regelmäßige Spezialausgaben. Im “griephan Special” und “griephan Kontakt” wird die wehrtechnische Industrie analysiert.
www.griephan.de

Herausgegeben von der DVV Media Group GmbH
Sitz: Nordkanalstraße 36, 20097 Hamburg
Kosten: Inland 842 Euro zzgl. 7 Prozent MwSt., Ausland 899 Euro

Mittler Report Wehrwirtschaft

Der Mittler Report “Wehrwirtschaft” ist eine von mehreren Publikationen, die der Verlag zum Thema Rüstung und Verteidigung herausgibt. Er organisiert auch die seit 1987 jährlich in Bonn stattfindende Sicherheitspolitische und Wehrtechnische Tagung.

Herausgegeben von der Mittler Report Verlag GmbH
Sitz: Baunscheidtstraße 11, 53113 Bonn
Kosten: 439,70 Euro zzgl. 19 Prozent MwSt.

Newsletter Verteidigung

Die Bonner GDM Information Group, die den Newsletter Verteidigung herausgibt, beschreibt sich selbst als ein Verlag, der “sich im Aufbau” befinde. 2009 wurde er vom Inhaber Rüdiger Hulin gegründet, bis jetzt berichten vor allem freie Mitarbeiter über sicherheitspolitische und wehrtechnische Themen. GDM versteht sich dabei als Kooperationspartner der Verteidigungsindustrie und -politik. “Ziel unseres Verlages und der publizierten Druckerzeugnisse ist es, den Streitkräften, der wehrtechnischen Industrie und der Politik eine redaktionelle Plattform zu geben, um sich darin zu präsentieren”, heißt es in der Selbstbeschreibung. Der Newsletter erscheint einmal pro Woche.

Herausgegeben von der GDM Information Group,
Sitz: Gotenstraße 152, 53175 Bonn
Kosten: Jahresabo Inland 199 Euro inkl. MwSt., Ausland 205 Euro.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Die andere Perspektive. Das Heft können Sie hier bestellen.