„Ein bisschen Nachhilfe in Politik“

[no-lexicon]p&k: Frau Maack, Herr Hanne, bei Ihrer Arbeit müssen Sie die komplexen Themen Ihrer Kunden für die breite Öffentlichkeit „übersetzen“. Wie gehen Sie vor, wenn Sie sich in ein neues Thema einarbeiten?

Hanne: Voraussetzung ist, das Thema selbst zu durchdringen und zu verstehen. Wenn man weiß, was der Kunde erreichen möchte, kann man die Übersetzungsarbeit leisten. Man muss sich überlegen, wer die Zielgruppen sind und welche Erwartungen diese haben. Wo gibt es Überschneidungen? Wo gibt es Interessenskonflikte und wie kann man damit umgehen?

„Übersetzen“ ist bei Ihnen nicht nur eine Metapher. Bei Ihren internationalen Kunden geht es tatsächlich um die Übersetzung von einer Sprache in eine andere. Was sind die Herausforderungen in der internationalen politischen Kommunikation und wie übersetzt man Themen für das deutsche Publikum?

Hanne: Oft muss man die Übersetzungsarbeit erstmal in die andere Richtung leisten und den internationalen Kunden erklären, wie das politische System in Deutschland funktioniert. Welche Parteien haben wir? Welche Funktionen haben bestimmte Personen und wie wichtig sind sie?

Maack: Bei der Übersetzung für die Zielgruppen ist es wichtig, die Relevanz der Themen herauszuarbeiten. Natürlich gibt es erst einmal eine Sprachbarriere, aber im Prinzip ist es eine ähnliche Übersetzungsleistung wie bei deutschen Kunden. Bestimmte Sachverhalte stellen sich aus verschiedenen Perspektiven einfach anders dar. Dann ist es fast egal, ob der Absender Amerikaner ist, der mit einem Deutschen kommuniziert, oder ob beide Deutsche sind.

Was sagen Sie Ihren ausländischen Kunden, wenn Sie Ihnen erklären, wie man ihre Botschaft in Deutschland transportiert?

Maack: Es ist immer ein bisschen Nachhilfe in Politik und darin, wie der deutsche Journalist so tickt. Wir erklären unseren Kunden, wie hier eine News aussehen muss, damit sie in der Zeitung landet. Ich finde aber nicht, dass internationale Kunden da generell anders sind. Die gleichen Diskussionen führen wir auch mit deutschen Kunden.

Ist internationale politische Kommunikation dann nichts Besonderes für Sie?

Maack: Ich finde, es steht und fällt immer mit dem Ansprechpartner auf Kundenseite. Über welches Hintergrundwissen verfügt er? Wie viel Verständnis hat er für den Job, den eine Agentur macht? Das ist sehr unterschiedlich. Im Fall von Michail Chodorkowski hatten wir Glück, weil unsere Ansprechpartnerin viel Verständnis für den Politik- und Medienbetrieb mitgebracht hat.

Hanne: Es ist klar, dass sich politische Systeme unterscheiden. Dann muss man einem Kunden vielleicht erklären, dass es in Deutschland nicht ganz so wichtig ist, den Präsidenten zu informieren, wie das beispielsweise in den USA der Fall wäre. Aber im Prinzip gibt es in jedem politischen System Entscheidungsträger. Man muss dem Kunden vermitteln, wer das in Deutschland ist. Dann müssen die Themen so aufbereitet werden, dass die Ansprechpartner sie verstehen.

Bei der Auslandsberichterstattung in den deutschen Medien spielen Menschenrechte eine bedeutende Rolle. Sind die deutsche Politik und Zivilgesellschaft besonders empfänglich für dieses Thema?

Hanne: Menschenrechte spielen inzwischen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Außenpolitik gewisser Länder einzuschätzen. Wenn man zum Beispiel Handel mit China treibt, muss man als deutscher Politiker oder als deutsches Unternehmen immer die Menschenrechtslage beachten, da diese in der deutschen Öffentlichkeit thematisiert wird. Das ist inzwischen bei vielen Ländern so.

Spiegelt sich das auch in der Berichterstattung wider?

Hanne: Das ist besonders bei Ländern der Fall, die eine große Bedeutung für Deutschland haben. Sei es Russland, wo es historisch bedingt eine besondere Beziehung gibt, oder China aufgrund seines kontinuierlich wachsenden politischen Einflusses und Status als wichtiger Handelspartner. Aber es gibt natürlich auch andere Länder, von denen man nicht einmal weiß, wo diese auf der Landkarte zu finden sind. Ein Beispiel: Wie viele Leute wissen schon, wo Usbekistan liegt? Über diese Länder wird generell wenig berichtet und dadurch wird die Menschenrechtssituation in diesen Ländern weniger stark thematisiert.

 

Wirtschaftsthemen und Menschenrechte sind also eng verknüpft?

Maack: Ohne enge Wirtschaftsbeziehungen fehlt ein wichtiger Hebel für die Sensibilisierung für Menschenrechte. Das haben wir am Beispiel von Kasachstan gesehen. Die deutsch-kasachischen Wirtschaftsbeziehungen sind zum Beispiel im Vergleich zu den deutsch-russischen von nicht so großer Wichtigkeit. Deshalb ist es auch schwieriger, die Öffentlichkeit auf dortige Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen. Insofern: Ja, es gibt einen Zusammenhang zwischen Wirtschaftsthemen und Menschenrechten.

Hanne: In der Menschenrechts-PR zu diesen Ländern muss man sich realistische Ziele setzen. 2011 hat beispielswiese die „Uzbekistan Press Freedom Group“ eine schöne Aktion organisiert. Als deutsch-usbekische Regierungskonsultationen stattfanden, haben sie sich einen Laster gemietet und ein großes Poster darauf gestellt. Auf dem Plakat war ein inhaftierter usbekischer Journalist abgedruckt sowie die Forderung, Journalisten freizulassen und die Internet-Zensur in Usbekistan zu beenden. Als die usbekische Delegation in Berlin war, fuhr der Laster den ganzen Tag durch das Viertel zwischen Reichstagsgebäude und Brandenburger Tor. Die Gruppe hat so für ein Nischenthema eine ziemlich hohe Medienresonanz generiert und die deutschen Politiker für das Thema sensibilisiert.

In der aktuellen Ausgabe unseres Schwestermagazins „pressesprecher“ reden Christiane Maack und Christian Hanne über ihre Arbeit im Bereich Menschenrechte und ihren prominenten Kunden Michail Chodorkowski. Hier geht es zum Interview: PR als Lebensversicherung

Fotos: Laurin Schmid[/no-lexicon]