"Die Erwartungen waren höher"

p&k: Herr Banaszak, bei den Vorwahlen der Europäischen Grünen gab es insgesamt 22.676 abgegebene Stimmen. Sind Sie damit zufrieden?

Felix Banaszak: Nein, zufrieden bin ich damit nicht. Ich glaube, es ist damit niemand zufrieden. Die Erwartungen waren höher. Gleichzeitig muss man sehen, dass es zum ersten Mal ein solches Experiment gab. Sowohl in der Frage, ob es überhaupt europäische SpitzenkandidatInnen geben soll, als auch eine solche Online-Abstimmung. Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Menschen teilnehmen. Auf der anderen Seite freue ich mich über die knapp 23.000 BürgerInnen, die mitgestimmt haben. Eine solche Entscheidung zu mehr Demokratie in Europa finde ich gut. Auch wenn unsere Erwartungen nicht erfüllt wurden, soll uns diese Idee erhalten bleiben.

Die Urwahl der grünen Spitzenkandidaten für den Bundestagswahlkampf hat doch gut funktioniert. Woran lag es, dass die Resonanz zu den Europa-Vorwahlen nicht sonderlich groß war?

Ich glaube das liegt daran, dass die Europawahl für die Menschen immer noch sehr viel weiter weg ist als die Bundestagswahl. Man merkt das an der medialen Berichterstattung. Dort ist die Europawahl bisher überhaupt nicht präsent. Das Vermittlungsproblem, dass Europa sehr weit weg zu sein scheint, haben wir versucht, über die Primaries ein bisschen zu reduzieren. Das ist nicht komplett gelungen. Auch die Online-Abstimmung war eine größere Hürde als zum Beispiel die Abstimmung per Brief bei der Grünen Urwahl zur Bundestagswahl.

Wie kommt das?

So unfassbar kompliziert war die Online-Abstimmung nicht. Aber es ist einfach eine größere Hürde sich einzuloggen, ein Passwort zuschicken zu lassen und dann abzustimmen, als einfach einen Brief auszufüllen und zurückzusenden.

Ska Keller wurde mit 11.791 Stimmen zur Spitzenkandidatin der Europäischen Grünen gewählt. Was sind ihre Erwartungen an sie?

Die Vereinigung Junger Europäischer Grüner hat Ska für die Wahl nominiert. Sie ist ehemaliges Mitglied der Grünen Jugend. Daher freue ich mich über ihren ersten Platz ganz besonders. Ich erwarte jetzt, dass sie die Themen, die sie in der Primary angesprochen hat, vor allem eine andere Flüchtlingspolitik und eine andere europäische Handelspolitik, nun auch im Europawahlkampf sehr stark setzen wird. Außerdem ist sie eine junge europäische Kandidatin, die für sich die nationalen Grenzen hinter sich gelassen hat. Ich hoffe, dass sie das im Europawahlkampf einbringt. Ich glaube, jetzt ist es umso wichtiger, für einen europäischen Wahlkampf zu sorgen, der sich nicht nur daran fest macht, ob die Menschen mit der Großen Koalition in Deutschland zufrieden sind oder nicht.

Wie bereitet sich die Grüne Jugend nun auf die heiße Phase des Europawahlkampfes vor?

Wir sind gerade dabei, die Änderungsanträge, die wir an das Wahlprogramm formuliert haben, zu verhandeln. Auf dem Parteitag in eineinhalb Wochen wird es dazu viele Abstimmungen geben. Wir versuchen, uns gerade sehr stark inhaltlich einzubringen. Wir werden dann in den nächsten Monaten auf verschiedenen Wegen unsere Kampagne vorantreiben; zum einen über das Internet und Social Media, aber auch durch Aktionen vor Ort in ganz Europa. Mit Terry Reintke hat die Grüne Jugend eine Kandidatin für das Europäische Parlament. Wir wollen sie auf einem guten, aussichtsreichen Platz auf der Europaliste sehen und mit ihr gemeinsam für unsere Themen einstehen. Das sind auf der einen Seite eine andere Asyl- und Migrationspolitik, aber auch der Kampf für Gleichstellung und gegen eine homophobe Gesetzgebung in ganz Europa.