Die Ausgleichende: Irene Mihalic

Vier aus 230

Die Dame in grüner Uniform ist ein Hingucker. Ein wenig steif um die Hüften zwar, aber mit Abzeichen dekoriert, lehnt die Schaufensterpuppe in der Ecke von Irene Mihalics Büro. “Sie trägt meine alte Dienstuniform”, erklärt die Grünen-Abgeordnete. In weißem T-Shirt und leicht verknitterter Leinenhose rückt sie auf Wunsch des Fotografen die Puppe näher an ihren Schreibtisch. „Als ich in den Bundestag kam, habe ich aber beschlossen, dass sie hier einen Platz bekommen soll – als Erinnerung daran, woher ich komme“, erzählt die 37-Jährige.

Seit Dezember 2013 ist die Frau mit den ungarisch-kroatischen Wurzeln Sprecherin für Innere Sicherheit der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Davor war sie Polizistin – und damit eine Ausnahmeerscheinung innerhalb der grünen Partei, der ein eher angespanntes Verhältnis zu Polizei und Militär nachgesagt wird.

In der Fraktion ist die im oberbergischen Waldbröl geborene Mihalic sogar die erste und einzige, die in ihrem früheren Arbeitsleben eine Polizeiuniform getragen hat. Grün und grünuniformiert – das schien sich in der Vergangenheit auszuschließen. Für viele Alt-68er aus der Gründergeneration war die Polizei vor allem eins: ein Feind. Und auch heute gebe es noch “Abwehrreflexe auf beiden Seiten”, so Mihalic. “Für viele Polizisten sind die Grünen noch immer die Steinewerfer von damals. Und nicht wenige in meiner Partei erinnern sich an ihre Zusammenstöße mit der Polizei bei Demos gegen Atomkraftwerke und Castortransporte.”

Solche Vorurteile abzubauen und das Verhältnis zwischen Polizei und Grünen zu verbessern, mit diesem Ziel ist die Nachwuchspolitikerin im Bundestag angetreten. Rasch hat sie damit ihr Thema gefunden und besetzt: “In meiner Doppelrolle kann ich einerseits Verständnis für grüne Positionen bei der Polizei wecken, andererseits meinen Kollegen die Sicht der Sicherheitsbehörden vermitteln”, sagt Mihalic. Beide Seiten bräuchten diesen Dialog. Nach der öffentlichen Kritik an Ermittlungspannen im Fall der NSU-Morde oder am Vorgehen gegen Stuttgart21-Gegner habe sich die Polizei zuletzt ins “Schneckenhaus” zurückgezogen, findet die Grünen-Abgeordnete. “Dabei gab es Anfang der 1990er-Jahre eine sehr positive Entwicklung hin zu einer Bürgerpolizei.” Diese sei jedoch ins Stocken geraten.

“Türöffner in beide Richtungen”

Und auch die Grünen könnten von einem Austausch mit der Polizei profitieren, ist sich Mihalic sicher: “Wir sind in unseren Positionen glaubhafter, wenn wir nachweisen können, dass wir uns ernsthaft mit den Argumenten aller Beteiligten befassen – nicht nur mit denen der Bürgerrechtler.” Bei der Polizei kommt das gut an: “Sachkundig, offen und erfrischend pragmatisch” habe Mihalic einen “absolut überzeugenden Eindruck hinterlassen”, lobt etwa der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt. “Ich hoffe, dass sich der Meinungsaustausch mit ihr künftig intensiviert und wir auch dort zu gemeinsamen Lösungen finden, wo wir bislang jeweils in verhärteten Fronten verharrt haben.”

Für diesen neuen Kurs hat Mihalic die volle Rückendeckung der Parteiführung. So äußerte etwa Cem Özdemir schon vor Monaten im „Spiegel“ die Hoffnung, grüne Polizisten wie Mihalic könnten “als Türöffner in beide Richtungen agieren”. Trotz dieser Unterstützung von ganz oben: Manch Grüner pflegt seine Ressentiments. Mihalic hat das erlebt: “Es passiert nicht oft, aber wenn heiß diskutiert wird, gibt es schon Anwürfe.” Die kämen aber eher von Jüngeren, zum Beispiel von Mitgliedern der Grünen Jugend, als von den Älteren in der Partei, sagt sie.

Hohe Erwartungen scheinen den Parlamentsneuling nicht zu belasten, sondern anzuspornen. Im Innenausschuss hat sich Mihalic jedenfalls auch beim politischen Gegner schnell den Ruf erarbeitet, “fachlich versiert und stets gründlich vorbereitet” zu sein. “Sie investiert viel in die Ausschussarbeit und bestimmt dort auch wesentlich die Argumentation der Grünen”, sagt etwa die SPD-Abgeordnete Susanne Mittag.

Eine neue, grüne Hoffnungsträgerin also? Zu Hause in Gelsenkirchen, wo Mihalic seit rund zehn Jahren mit ihrem Mann – wie sie Polizist – lebt, überrascht das politische Beobachter nicht. Schon im Stadtrat, in dem Mihalic vier Jahre bis zu ihrem Einzug in den Bundestag saß, fiel die junge Frau bald auf: “Sie ist fleißig, gradlinig, manchmal vielleicht nicht locker genug”, sagt einer, der sie gut kennt. In der Ruhrgebietsmetropole seien sich viele schon früh sicher gewesen: “Die wird mal was.”

Solche Stimmen könnten Recht behalten. Nach einem Jahr Vermittlungsarbeit in Berlin verzeichnet Mihalic erste Fortschritte – auch in der eigenen Partei: “Das Interesse am Thema Polizei und Innere Sicherheit wächst”, konstatiert sie stolz. “In letzter Zeit werde ich sogar auffallend häufig von der Grünen Jugend als Referentin angefragt.”

Lesen Sie auch den ersten, dritten und vierten Teil unserer Porträtreihe über die Nina Warken (CDU), Susanna Karawanskij (Die Linke) und Nina Scheer (SPD).

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Frauen und Macht. Das Heft können Sie hier bestellen.