Debatte über Debatte

Wahlkampf

Die Präsidentschaftsvorwahlen in den USA gehen in die nächste Runde: In wenigen Tagen findet die erste Republikanische Fernsehdebatte statt. Das Problem: Mittlerweile gibt es über 100 registrierte Kandidaten. Klar ist: Nicht alle davon werden auf der Bühne stehen. Doch was kann eine demokratische, schlüssige Einladungspolitik sein? Anders als in anderen Wahljahren ist das in diesem Jahr nicht nur ein philosophisches Problem. Im Gegenteil: Es hat sogar Auswirkungen auf die Kampagnenstrategie mancher Kandidierenden.

Eigentlich stehen Fernsehstationen jedes Wahljahr vor dem Problem, dass es zu viele Kandidaten gibt, um sie alle zu einer Debatte zu laden. Bloß: Diesmal ist das Problem verschärft und wird zum ersten Mal öffentlich debattiert. In vergangenen Wahljahren gab es eine Handvoll bekannter und eine Busladung voll unbekannter Kandidierender, denen so wenig mediale Präsenz zugestanden wurde, dass es nicht einmal auffiel, wenn sie sich über die mangelnde mediale Präsenz beschwerten. Dieses Jahr ist das anders. Mit rund fünfzehn prominenten Kandidaten ist das (mehr oder weniger gleich) chancenreiche Republikanische Feld zu groß für eine Fernsehdebatte. Die beiden von der Republikanischen Partei mit den ersten Fernsehdebatten betrauten Fernsehstationen – CNN und FOX – werden für ihre Lösung von vielen Seiten kritisiert, nicht nur von den ausgeladenen Kandidaten.

Es geht ums politische Überleben

Auch wenn man bei zehn Debattierenden an einem Abend nicht mehr von Diskussion im engeren Sinne des Worts sprechen kann: Das ist die Zahl auf die sich CNN und FOX festgelegt haben. Jene zehn Kandidaten nämlich, die in den Umfragen die ersten zehn Plätze belegen. Doch damit beginnen die Probleme erst, denn bei vier Prozent Schwankungsbreite in den meisten Umfragen ist die Reihung bis Platz zehn nicht gerade präzise. Nach Protest gingen deshalb die Fernsehstationen (die Partei selbst hat keinerlei Mitspracherecht in der Frage) dazu über einen Durchschnitt aus öffentlichen Umfragen seriöser Medien, wie der “New York Times”, in einem bestimmten Zeitraum als Basis für die Auswahl zu nehmen. Das wiederum warf die Frage auf, was die Befragtenbasis sein solle: Nur Republikaner, weil das die Wahlberechtigten in einer Republikanischen Vorwahl sind? Alle amerikanischen Wahlberechtigten, weil in manchen Bundesstaaten die Vorwahlen allen offen stehen? Oder überhaupt nur Menschen in Iowa und New Hampshire, die beiden Bundesstaaten die im Vorwahlzyklus zuerst dran sind und die bereits seit Monaten von allen Kandidaten belagert werden?

Für die Kandidierenden geht es ums politische Überleben. Von der Symbolwirkung, nicht zur Debatte eingeladen zu werden, also zu den Verlierern zu gehören, werden sich die Kandidaten nicht mehr erholen. Ein ultimativer Momentumkiller. Gleichzeitig geht es bei den meisten um wenige Prozentpunkte: Platz 14 trennen nur fünf Punkte von Platz vier. Zwischen den letzten beiden Plätzen am Podium und den ersten beiden Plätzen im Abseits liegt nur einer.

Es ist faszinierend zu beobachten, welch große Auswirkung diese Entscheidung auf die Kampagnenstrategie mancher Kandidaten hat. Um Teil der Debatte zu sein braucht man etwas über zwei Prozent. Weil Kandidaten tendenziell einen kurzen Sprung in Umfragen nach ihrem Announcement machen, hat John Kasich etwa seine Ankündigung genau in den Zeitraum der ausgewählten Umfragen gelegt. In den nächsten Wochen würde es nicht überraschen, wenn Rick Perry (zwei Prozent), Bobby Jindal (1.4 Prozent) und Carly Fiorina (1.4 Prozent) mit Trump-ähnlichen PR-Stunts versuchen im Gespräch zu bleiben und sich den einen Prozentpunkt holen, der sie ins Republikanische Spitzenfeld befördern würde.

Die Diskussion macht auch erneut die Schwäche öffentlicher Umfragen deutlich, die in einer Welt voller Handys, Blocken von unbekannten Nummern und immer diversifizierter und schwerer zu erreichenden Menschen nicht mehr die Präzision haben, die ihnen früher zugeschrieben wurde.